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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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genötigt hatten. Andere würden es Flucht nennen. Sie dachten ganz richtig, wenn der Aufstand Erfolg hätte, wäre es gut, wenn Heinrich weit genug entfernt von seinem wütenden Volk sei; wenn sie ihn aber niederknüppeln konnten, wäre es ebensogut, wenn der Herzog nachher angeben könne, er sei nicht dabeigewesen und wisse von nichts und verurteile die Todesfälle aus ganzem Herzen. Wenn Euch die Geschichte der Stadt einigermaßen bekannt ist, wißt Ihr, daß er genau das später getan hat. Leutgeb scheint zumindest persönliche Tapferkeit bewiesen zu haben. Er zog sein Messer und warf sich den Angreifern entgegen, aber sie prügelten ihn sofort zu Boden, wo er besinnungslos liegenblieb. Ein paar der anderen Aufständischen, vor allem die jüngeren unter ihnen, entrissen den Wappnern ihre Spieße oder hatten selbst Dolche und Schwerter einstecken, aber es war, als ob sich ein Bauernhaufen gegen einen Trupp Landsknechte erhoben hätte. Die Wappner waren gut ausgebildet. Schon nach Sekunden floß das erste Blut: auf seiten der Aufständischen. Sie stachen und schlugen und hackten auf die Bürger ein, bis die wenigen Überlebenden sich ergaben oder ohnmächtig auf den Boden sanken. Es dauerte vielleicht ein paar Minuten. Danach war alles wieder ruhig.«
    »Euer Vater?« fragte ich. »Was war mit ihm?«
    »Letztendlich hat er doch noch die Tür zum Zimmer meiner Mutter eingetreten. Sie war schon besinnungslos, als er sie fand – sie schwamm in ihrem eigenen Blut. Sie hatte sich mit einen kleinen Messer die Adern geöffnet. Er taumelte die Treppe hinunter, blutverschmiert und mit dem Messer in der Hand, das er ihrem schwächer werdenden Griff entwunden hatte, und lief auf die Straße hinaus. Zu diesem Zeitpunkt war das Morden schon vorbei; aber als die Wappner ihn so aus der Tür kommen sahen, dachten sie, es ginge noch einmal von vorne los.« Er lachte böse. »Mein Vater hat sie vermutlich nicht einmal gesehen; wenn er etwas sah, dann den Anblick seiner Frau, die in ihrem von Blut triefenden Bett lag und dem Tode entgegenröchelte. Er hielt das Messer ausgestreckt in der Hand, und einer der Wappner hieb ihm mit dem Schwert in die Kniekehle, daß er vornübersackte, und ein weiterer schlug mit der Klinge nach seinem Kopf und enthauptete ihn sauberer, als es jeder Scharfrichter gekonnt hätte. Er war der vorletzte Tote dieses Aufstands, wenn man annehmen will, daß meine Mutter im Augenblick seines Todes bereits verstorben war.«
    »Wer war der letzte?« fragte ich leise.
    Er sah mich an. Er hatte sich wieder in der Gewalt und sagte ruhig: »Christian Leutgeb. Sie zerrten ihn auf die Burg, zusammen mit den anderen Überlebenden. Sie saßen noch in der Nacht über sie zu Gericht, während unten in der Stadt ein mächtiges Aufgebot an Bütteln patrouillierte und jeden Gedanken an weiteren Widerstand im Keim erstickte. Leutgeb wurde von allen anderen Beschuldigten der Führung des Aufstandes angeklagt; er und Martin von Asch, den sie nicht gekriegt hatten. Sie versuchten, seinen Aufenthaltsort aus Leutgeb herauszubekommen, indem sie ihn folterten und schließlich die Augen eindrückten, aber Leutgeb wußte es nicht. Seine eigene Beteiligung an der Angelegenheit gestand er schreiend und flehend, sie sollten endlich ein Ende mit ihm machen. Sie taten es ohne Verzug und richteten ihn mit dem Schwert auf der Burgwiese. Meinen Großvater fanden sie erst am nächsten Tag. Er lag im Zimmer meiner toten Mutter, deren Leichnam sie bei dieser Gelegenheit ebenfalls fanden. Er war tot; er war schon ein sehr alter Mann gewesen, und vermutlich hatte ihn der Schlag getroffen.«
    »Was geschah mit Euch? Hat man nach Euch und Eberlein suchen lassen?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Mit Sicherheit. Ebran wußte zumindest, daß es mich gab. Aber in Ingolstadt waren wir außerhalb der Reichweite des Herzogs. Ich bin in Ingolstadt aufgewachsen; mit Hilfe von Eberleins Familie gründete ich eine eigene Existenz. Er hatte gute Verbindungen zu den Tuchmachern in Florenz, und ich übernahm diese Verbindungen und baute sie aus, bis ich mich selbst als Tuchhändler etablierte. Danach schuf ich mir eine eigene Familie. Die Männer, die mich hierher begleitet haben, gehören dort zu meinen Freunden.«
    »Und Eure Tochter ...«
    »Sie ist meine jüngste Tochter«, sagte er sanft. »Meine anderen Kinder sind bereits verheiratet. Sie bestand darauf, mich zu begleiten. Niemand konnte es ihr ausreden.«
    »Dann ist die ältere Frau Eure

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