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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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er sich irgendwann änderte und aufhörte, dir nachzustellen.
Au contraire
! Er versuchte, dich leicht bekleidet hinter angelehnten Türen zu erwischen. Ich sah ja, wie er dich ansah. Seine Augen wanderten begehrlich über deinen Körper, nahmen dich in Besitz, ohne dass er dich anfasste. Aber …« Er zögerte einen Moment. »Aber ich brauchte Beweise. Es reichte nicht, dass ich ihn einfach so beschuldigte. Also begann ich, ihm unauffällig zu folgen, ohne dass er es merkte. Und dabei machte ich eine überraschende Entdeckung. Eines Tages sah ich, wie er einen Brieföffner aus der Druckerei einsteckte. Eine Lappalie, aber es kam mir gleich verdächtig vor. Ich nutzte die Ruhe im Haus, nachdem du nach
Las Jácaras
abgereist warst, um in sein Zimmer hinunterzugehen. Ich begann, seine widerlichen Habseligkeiten zu durchwühlen, überzeugt, den einen oder anderen gestohlenen Gegenstand zu finden. Und tatsächlich, so war es auch. Aber weißt du, was er dort noch aufbewahrte?«
    Monsieur Verdoux wartete Guiomars Antwort nicht ab, sondern ballte die Faust und sagte dann: »Herrje! Ich wage es kaum auszusprechen. In einer Kommodenschublade hortete er Unterwäsche von dir, mit deinen aufgestickten Initialen. Und du warst so naiv und dachtest, Mamita Lulas Geist würde die Sachen aus deinem Schrank stehlen. Er war es, er! Was für perverse Dinge mag er sich vorgestellt haben? Es ist empörend. Sag nicht, er hätte es nicht verdient, dass man ihm den Kopf spaltet wie eine Wassermelone!«
    Guiomar empfand furchtbare Scham. Sie wollte sich nicht länger Monsieur Verdoux’ Altmännerdelirien anhören, bei denen sie sich schmutzig fühlte.
    »Ihm den Kopf spalten …«, flüsterte sie wie ein Echo.
    »Ich konnte nicht anders«, erklärte Monsieur Verdoux. »Ich war so wütend über das, was ich entdeckt hatte, dass ich nichts mehr sah und hörte. Ich weiß nicht, wie, aber auf einmal stand er in der Tür. Ich habe mich so erschreckt! Zuerst war er überrascht, mich in seinem Zimmer zu finden, aber dann sah er, dass ich deine …« Er stockte erneut. »Nun ja, ich hielt sie jedenfalls noch in der Hand, so dass er sich ertappt fühlen musste. Doch statt Reue zu zeigen, wurde er frech. Er wollte nichts erklären, nannte mich einen verrückten Alten und forderte mich auf, sein Zimmer zu verlassen. Dann packte er mich am Arm und begann mich zu schütteln. Wofür hielt sich dieser Kerl? Mich hinauszuwerfen! Wie vor vielen Jahren seine Schwester …«
    Er seufzte und machte eine Pause, bevor er ganz leise weitersprach, ohne jede Regung, als sei es nicht er selbst.
    »Ich schlug mit dem Stock auf ihn ein … Ich weiß nicht, ob du dich an den Stock erinnerst, den wir zusammen in der Calle del Aire gekauft haben. Der mit dem Silberknauf in Form eines Pferdekopfes, weißt du noch? Er war …«
    »Genug, es reicht!«, protestierte Guiomar angewidert. »Ich weiß, welcher es ist. Sprich bitte weiter.«
    »Natürlich,
chérie
, natürlich. Ich schweife ab. Also jedenfalls schlug ich auf ihn ein, bis sein Kopf … Nun, die genauen Einzelheiten will ich dir ersparen. Schließlich ist das alles in deinem Haus passiert. Als ich ihn tot in seinem Blut liegen sah, überkamen mich die gleichen Ängste wie damals bei dem bedauerlichen Zwischenfall mit seiner Schwester und seinen Großeltern.« Der letzte Satz klang wie beiläufig, als hätte er nichts mit deren Tod zu tun. »Zum Glück war niemand im Haus. Du warst mit Candela in Carmona, um die Sache mit
Las Jácaras
zu klären, und es war kein Personal mehr da, das für die ›Franzosenfreunde‹ arbeiten wollte. Also überlegte ich, wie ich die Leiche wegschaffen und das Blut wegwischen konnte. Wieder Blut. Weißt du, wie Blut riecht,
chérie
? Ein widerlicher Geruch, irgendwie metallisch. Ekelhaft!« Er hielt kurz inne. »Aber wie das Leben so spielt, brauchte ich mir nicht länger den Kopf zu zerbrechen. Das besorgten dann andere für mich.« Er öffnete den Mund wie zu einem Lachen, aber es kam nur ein Röcheln heraus. »Ich kann mir immer noch nicht erklären, wie sie hineingekommen sind. Wahrscheinlich hat Cristo, dieser Trottel, die Tür offen stehen lassen, denn plötzlich strömten sie herein. Ich hatte solche Angst,
chérie
! Prügel und noch mehr Prügel, unentwegt, gnadenlos … Gegen einen wehrlosen armen Mann … Dann wurde es dunkel um mich. Als ich wieder zu mir kam, hielten es alle für ein Wunder, dass ein alter Mann wie ich das überlebt hatte, wenn man bedachte, dass

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