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Der Turm der Könige

Der Turm der Könige

Titel: Der Turm der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nerea Riesco
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Königin!« León war gebannt. »Ferdinand erklärte dieses Bildnis zur Schutzpatronin von Sevilla. Damals wurde Schach noch nicht so gespielt wie heute. Es gab einige Abwandlungen, und eine davon betraf die Züge der Dame. Ihre Aufgabe bei einer Partie war es, dem König zur Seite zu stehen. Unprätentiös, aber unerschütterlich, wurde sie nur um ein Feld gezogen, und zwar stets diagonal.« Er betrachtete erneut das Bildnis. »Die
Virgen de los Reyes
begleitete König Ferdinand in seinen Träumen in den Kampf. Die königliche Madonna ist die Dame!«
    »Meinst du wirklich?«, fragte Bruder Dámaso.
    »Natürlich!« Er lief durch die Capilla Real und deutete wie von Sinnen nach rechts und links. »Zur Rechten und Linken des Königs befinden sich die königlichen Grabstätten seiner Frau, Beatrix von Schwaben, und ihres gemeinsamen Sohnes Alfons X., des Weisen. Ich bin überzeugt, dass sie die Läufer sind«, erklärte er begeistert. »Und über den Bögen zum Chor und zum Kapitelsaal befinden sich die Büsten von Garci Pérez de Vargas und Pelayo Pérez Correa, jener beiden Ritter, die eine entscheidende Rolle bei der Eroberung spielten – die einzigen Personen in diesem Raum, die keine Heiligen oder königlicher Herkunft sind. Sie setzen einen schwarzen König schachmatt, der einen Turm verteidigt.« León deutete nach oben. »Hier zur Linken befindet sich der Turm, die Giralda. Seht Ihr das, Bruder Dámaso?«
    ***
    IN DEN DARAUFFOLGENDEN TAGEN stellten sie die Capilla Real auf den Kopf, ohne sichtbare Resultate zu erzielen. Sie öffneten Ferdinands Grab vollständig und suchten zwischen seinen heiligen Gebeinen, um dann festzustellen, dass es dort kein Pergament mit den Spielregeln gab. Am Anfang waren sie zutiefst enttäuscht. Sie hatten so große Hoffnungen gehabt, dort fündig zu werden, dass sie nun entmutigt die Köpfe hängenließen. Aber so schnell gab León nicht auf. Nach einigen Tagen tauchte er mit neuer Begeisterung sowie einem Sack mit Hammer und Meißel auf, um seine Ideen in die Tat umzusetzen.
    In jener Nacht erschien die Capilla Real noch stiller als sonst. Das Licht des Vollmonds fiel durch die Glasfenster und verlieh dem halbrunden Raum ein unwirkliches Aussehen. Der Geruch nach Weihrauch und Kerzenwachs machte ihn ein wenig benommen.
    »Was habt Ihr?«, fragte León besorgt, als er Bruder Dámasos beunruhigtes Gesicht sah.
    »Wozu hast du dieses Werkzeug mitgebracht?«
    »Ihr beantwortet meine Frage mit einer Gegenfrage?«
    »Genau wie du auch.«
    »Also gut«, erklärte León. »Vielleicht haben wir an der falschen Stelle nachgesehen. Falls es ein Grab ist, nach dem wir suchen, muss es das Grab Alfons X. sein. Schließlich war er es, der die Wette vorschlug und die Spielregeln festlegte.«
    »Wir stören die Totenruhe«, wandte Bruder Dámaso stirnrunzelnd ein. »Wenn wir uns irren …«
    León seufzte. »Das stimmt nicht. Wenn Ihr kühl nachdenkt, werdet Ihr zu der Erkenntnis gelangen, dass Alfons der Weise keine Ruhe gefunden hat.« León fasste den Prior am Arm, damit der ihn ansah. »Dieser Pakt, den er vor vielen Jahren unterzeichnete und an den er sich dann nicht hielt, hindert ihn daran, seinen Frieden zu finden. Was wir hier tun, ist ein Akt größter Barmherzigkeit. Für ihn, für uns und alle, die nach uns kommen.«
    Bruder Dámaso ließ einen Moment verstreichen, bevor er antwortete. Er schien über das nachzudenken, was er soeben gehört hatte. Dann betrachtete er das Werkzeug, das auf dem Fußboden der Kapelle lag, und trat ein wenig näher zu León.
    »Nun gut, ich akzeptiere das … Und Gott sei meiner Seele gnädig, wenn ich falsch handle.«
    Es wurde eine lange Nacht, in der sich die beiden Männer in der Capilla Real zu schaffen machten, voller Bewunderung für ihre Schönheit und von mannigfachen Gefühlen bewegt. Sie wussten, dass sie alleine an diesem heiligen Ort waren, aber sie spürten die Gegenwart der Jahrhunderte, die ihnen über die Schulter sahen. Sie öffneten das Grab Alfons’ des Weisen und stellten enttäuscht fest, dass sich dort ebenso wenig das befand, was sie suchten. Sie öffneten auch das Grab seiner Mutter Beatrix von Schwaben. Nichts. Nun beschlossen sie, am Altar mit dem Gnadenbild der königlichen Madonna zu suchen, der Dame dieses ungewöhnlichen Schachspiels. Sie blickte sie von oben herunter an mit ihrem seidig blonden Haar und dem Kind auf dem Schoß, ein stilles, wissendes Lächeln auf den Lippen. Sie erinnerten sich, dass es sich um eine

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