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Der Turm der Seelen

Der Turm der Seelen

Titel: Der Turm der Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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…», sie warf ihrem Mann einen traurigen und leicht gereizten Blick zu, «…   trägt nicht mehr so weit.»
    «Sie will sagen, dass ich bis auf das Feld hätte gehen sollen, um Sie zu holen, aber sie glaubt, ich hätte Angst gehabt.» Al saß mit dem Rücken zur Wand der Stallung. «Und dass ich nicht weiter als bis zu dem Wäldchen gehen würde.» Er legte seine Hand auf Merrilys. «Na ja, kann sein. Aber in Wahrheit hätte ich es ohnehin nur schlimmer gemacht. Mein Vater war der
Chovihano
. Ich bin nur ein Gitarrenbauer.»
    Sally sagte: «Nachdem Sie sich verabschiedet hatten, haben wir beschlossen, Ihnen nachzugehen. Nach Stocks Tod gibt es eigentlich keinen Grund mehr, Ihnen nicht   … alles zu erzählen.»
    Lol saß Merrily gegenüber; er hatte den Stuhl etwas vom Tisch zurückgeschoben und starrte auf seine Hände hinunter. Merrily spürte seine Verwirrung und auch seinen Kummer, der in Wellen aus ihm herauszuströmen schien.
    Gerade sagte Al: «Wir haben doch vorhin über den Roma-Brauch gesprochen, bei dem der
Vardo
verbrannt wird, ja? War das jetzt eure christliche Art sicherzustellen, dass die Stocks nicht   …»
    «Vielleicht.» Alles schien ihr so lange her. Hatte sie es wirklich getan? War aus ihrer Stegreif-Rechtfertigung ein Exorzismus geworden? Hatte sie überhaupt damit angefangen?
    Ich kann mich nicht erinnern.
    Ich kann mich nicht
erinnern
.
    «Das war mutig, junge Frau», sagte Al. «Möglicherweise abernicht sehr klug. Dieses Feld – das Feld im Schatten des letzten Darrenhauses   –, sie haben schon versucht, es als Weide zu nutzen, aber das Vieh ist krank geworden.»
    Warum konnte sie sich nicht erinnern? Lag das an dem Trank, den Sally ihr gegeben hatte? Sie sagte: «Kann mir jemand sagen, was passiert ist? Ist dort überhaupt etwas passiert?»
    Lol sah bestürzt auf.
    «Wir konnten nicht sehen, was passiert», sagte Sally schnell. «Dort stehen zu viele Gerüste.»
    «Laurence hat Sie herausgebracht», sagte Al. «Dafür bewundere ich ihn.»
    Merrily verstand nicht, was er meinte.
    Lol sagte zu Sally: «Warum erzählen Sie uns nicht ein bisschen von der Hopfenfrau? Damit hat doch eigentlich alles erst angefangen, oder? Mit Rebekah Smith.»
    Sally warf ihm einen Blick zu. «Die Hopfenfrau   … es ist ja klar, dass es mehr als eine gegeben hat.»
    Lol nickte.
    «Aber die erste war vermutlich Conrads erste Frau. Caroline.»
     
    Es war die Sekretärin des örtlichen Bauernverbandes, mit der Sally ins Gespräch gekommen war. Das war Mitte der Siebziger gewesen, als die Verticillium-Welke in Herefordshire erstmals größere Schäden verursacht hatte. Es sollte verhindert werden, dass Spaziergänger, spielende Kinder oder sonst jemand die Pflanzenseuche von einem Feld auf das andere trugen, und Sally hatte scherzhaft vorgeschlagen, dass man zur Abschreckung ja auch eine Geistergeschichte in Umlauf bringen könnte.
    Und dann war ihr der Kaiser von Frome eingefallen und wie viel stärker die Geschichte wirken würde, wenn sie ein bisschen Wahrheit enthielte.
    Der ‹Legende› zufolge hatte der Ritter von Knight’s Fromeseine Frau verstoßen, weil sie ihm keinen Sohn gebären konnte. Bei Caroline war es nicht genauso gewesen, aber Vergleichbares gab es schon. Es stimmte, dass sie keine Kinder bekommen konnte und damit Conrads dynastische Träume gefährdete. Conrad, der Bauerngüter sammelte, immer mehr Land kaufte, jedes neues Feld in ein Meer aus Hopfenstangen verwandelte, sodass es aussah wie ein mittelalterliches Heer auf dem Schlachtfeld. Acht Jahrhunderte zuvor, sagte Sally, hätte Conrad als Warnung an potenzielle Konkurrenten die abgeschlagenen Köpfe seiner besiegten Rivalen auf Hopfenstangen gespießt.
    Doch er konnte auch sehr charmant sein. Besonders, wenn er nicht auf seinem Besitz war, sondern bei einem seiner ausschweifenden Wochenenden in London oder auf einer Party. Er hatte Caroline mit seinem Charme verzaubert. Sie war damals noch keine zwanzig Jahre alt gewesen, ein Stadtkind, das von weiten grünen Feldern und Abendspaziergängen über Wildblumenwiesen träumte.
    Und auch den Hopfen hatte Caroline geliebt, seine Üppigkeit, seinen milden Duft, der so viel besser war als der von saurem Bier. Carolines Lieblingsmonat war der September gewesen, wenn die Waliser kamen und die Dudleys und die Zigeuner. Sie sprach unheimlich gerne mit ihnen, und zwar besonders mit den Zigeunern, die eigentlich nicht gerne redeten und eine so mysteriöse Aura um sich verbreiteten.
    Conrad

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