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Der Tyrann von Hades

Der Tyrann von Hades

Titel: Der Tyrann von Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Kapp
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von einer Schale war zu einem Ritual geworden, das keines der Mannschaftsmitglieder verpassen wollte. Niemand, der das Spektakel erlebte, vergaß jemals die Lehre, die er über die Größenverhältnisse Solanas erhielt. Die Menschen waren zweifellos nicht mehr als winzige Staubkörner, aber dennoch stärkte diese eigentlich erschreckende Erkenntnis den Betrachter.
    Sie waren aus einer großen Werkstatt an einer großen Straße in einer großen Stadt gestartet. Bald darauf waren die Werkstatt und die Straße zur Unkenntlichkeit zusammengeschrumpft, und selbst das wuchernde Zapoketa verwandelte sich in einen winzigen Punkt. Gleichzeitig hatte sich ihr Sichtfeld erweitert, und unter ihnen erstreckten sich Meere und Flüsse und kahle, sonnenverbrannte Gebirgsketten, die sich wie ein blaues Skelett gegen die Brauntöne der riesigen Felder abhoben. Langsam schrumpften die Gebirgsketten zu einer Miniatur, einem Punkt, und aus 100 Millionen Quadratkilometern Weizenfeldern wurde ein ausgefranstes Taschentuch. Auf diese Weise setzte sich die Verkleinerung fort. Die gewaltigen Gebirge, Felder, Städte und Meere wurden immer undeutlicher, während die Kuppe des Horizonts scheinbar unverändert blieb.
    Dann erreichten sie den Gürtel der Proto-Sonnen und durchflogen vorsichtig die Reihen der künstlichen Sterne, die dem viele Kilometer entfernten Land unter ihnen Licht und Wärme und damit Leben schenkten. Bald machte es das grelle Licht der Proto-Sonnen unmöglich, Einzelheiten auf der Oberfläche der Schale zu erkennen. Jetzt richtete sich ihre Aufmerksamkeit auf die große, goldene Exis-Speiche, die in Zapoketa ihren Anfang nahm und durch die ein nie abreißender Strom von Fracht- und Auswanderungsshuttles zu den Schalen des Uranus und Neptun floß und – so hofften sie zumindest – zu weiteren, noch gewaltigeren Schalen.
    Die Speiche stand für ein Phänomen, das sie zu ihren langen Reisen veranlaßte. Sie waren bereits von der Mars-Schale zu der Sonne geflogen, die sich im Zentrum Solanas befand, und schließlich waren sie bis zur Saturn-Schale vorgedrungen. Dann hatte Prinz Land-a, der die Expeditionen des Instituts für Solaristik finanzierte, eine sonderbare Frage aufgeworfen, auf die er während seiner empathischen Verbindung mit Zeus’ Bewußtsein gestoßen war. Sie ähnelte stark der Frage, die Imref gestellt hatte:
    Wir können lange spekulieren, aber was wissen wir eigentlich über das Schicksal, das die Auswanderer jenseits der Saturn-Schale erwartet?
    Später, nach einer weiteren empathischen Sitzung mit Zeus, hatte er sie auf rätselhafte Weise ergänzt:
    Wer oder was ist der Tyrann von Hades?
    Niemand kannte die Antworten, und man würde sie vielleicht nie finden, wenn es nicht die Shellback gäbe. Sie war das einzige Schiff im bekannten Solaren Universum, das durch die Zwischenräume der Käfigwelten bis zur Neptun-Schale und in den Hades-Raum dahinter vorstoßen konnte. Aus diesem Grund nahmen Maq Ancor und seine Mannschaft jetzt Kurs auf eine Käfigwelt in der Uranus-Schale. Ihr Ziel war es, herauszufinden, was mit den Menschen geschah, die mit den Speichenshuttles dorthin befördert wurden.
    Cherry war besorgt. Um die gewaltigen Entfernungen in möglichst kurzer Zeit zurücklegen zu können, hatte die Shellback neue Triebwerke erhalten, mit denen sie eine wesentlich höhere Raumreisegeschwindigkeit erreichen konnte. Da aber das kleine Schiff bereits das schnellste Fahrzeug war, das jemals gebaut worden war, hatten keine Testfahrzeuge für die Triebwerke zur Verfügung gestanden. Cherry steuerte also ein mächtiges Schiff, dessen Grenzen man bisher nur theoretisch ausgelotet hatte. Bisher hatten sie die Triebwerke mit halbem Schub betrieben – niemand konnte genau sagen, was geschehen würde, wenn er ihnen die volle Leistung abverlangte. Der dürre kleine Mann in der weißen Toga zitterte am ganzen Körper, als er die Shellback langsam auf ihre neue Höchstgeschwindigkeit von 800.000 Kilometern pro Stunde beschleunigte. Ihm war allerdings bewußt, daß sie selbst bei diesem Tempo einen langen, langen Flug vor sich hatten.
    Das Institut für Solaristik hatte den Raum zwischen der Saturn-Schale und der Uranus-Schale ›Saturan-Raum‹ getauft. Wenn es Cherry gelang, das theoretische Optimum von 800.000 Kilometern pro Stunde aus den Triebwerken herauszuholen, würden sie in ungefähr fünfundsiebzig Tagen den 1,4 Milliarden Kilometer breiten Abgrund zwischen den beiden Schalen überbrücken können. Eines

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