Der Überlebende: Roman (German Edition)
schließlich sogar miteinander vereinten. Immer unter Weltraumperspektive, und der Weltraum war sie, Greta.
Peter surfte nicht – wie Greta – auf den Brandungswellen seiner Gedanken. Sein Würfel war unausgesetzt bestrebt, die Konturen zu bewahren, den Einebnungsattacken anderer geometrischer Gedanken beharrlich Widerstand leistend. Einmal rührte er mein Herz: Weil er nicht den Würfel bewegte, sondern versuchte, sich selbst um den Würfel herumzubewegen.
Es ging damals nicht darum, dass sie die Aufgabe schnell oder elegant lösten, sondern darum, dass Greta und Peter sich dabei beobachteten, wie sie die Aufgabe lösten. Sie sollten sich möglichst tief in ihre Hirne bohren, mit mir als Zuschauer.
Greta sah sich nicht nur zu, sie behielt auch den Überblick. Was sie sage, sei nicht mehr das Gleiche wie das, was sie gedacht hatte. Obwohl sie genau das beschreiben wolle. Aber es sei nicht mehr lebendig, sie habe das Gefühl, jemand anderes habe das gedacht –
Oh, wie gewandt Greta mit dem Würfel umging und mit sich selbst! Peter dagegen schwebte wie ein Gefangener des Würfels neben diesem.
Es ist nicht wahr, dass ich eine Schnute geschnitten hätte, während Greta beschrieb, wie sie die Würfelansichten in ihrem Kopf bewegte und veränderte.
Aber ich habe Peter gelobt, und ich habe Greta nicht gelobt. Ich hielt es nicht aus, wie Peter und das Meer einander anglotzten! Der Biedersinn seiner Gedanken war fast dämonisch! Er hatte überhaupt nicht begriffen, was ich von ihm und Greta wollte – ich musste ihn anfeuern. Greta brauchte ich nicht zu beflügeln.
Die Rezeptionistin des Hotels hatte mir einen Plan mitgegeben, auf dem alle Strandkörbe eingezeichnet und nummeriert waren, unseren hatte sie rot umkringelt. Greta und Peter stritten, wer den Plan halten durfte, wie immer gewann Greta, auf dem kürzesten Weg führte sie uns zu unserem Strandkorb.
Die Vorurlauber hatten uns eine hohe und gepflegte Sandburg hinterlassen. Sie befand sich in der zweiten Reihe, Peter und ich klappten den Korb auf und setzten uns hinein. Peter blickte zwischen den beiden Körben vor uns auf das Meer, als würde es sich hinter einer unzerbrechlichen Glasscheibe befinden. Greta umrundete ruhelos unsere Burg.
Greta hatte sich verändert an diesem Vormittag. Ihr Gesicht hatte ein klares Zentrum zwischen den Augen bekommen, aus dem sich alles, die Stirn, die Nase, der Mund, herausgebildet hatte. Wenn sie etwas ansah, dann schien sie es mit ihren Geisteskräften zu fixieren, es konnte sich nicht mehr verändern. War das allein der Effekt des im Nichts schwebenden Pompeji-Würfels, zu dem ich ihre Innenwelt – umkonstruiert hatte? Oder hatte es da noch etwas anderes gegeben außer dem Würfel, über das sie mir nicht berichtet hatte?
Vorher hatten wir auf der Hotelterrasse Kuchen gegessen. Erst drückte Greta den rechten Arm an ihren Brustkorb und fasste nach der linken Schulter, dann tat sie das Gleiche mit dem linken Arm. Als sie die Sandburg umkreiste, legte sie die Arme an den Körper an und ballte abwechselnd die Hände zur Faust und streckte die Finger aus, immer nach hinten. Nachdem sie den Pompeji-Würfel in ihrem Kopf bewegt hatte, wusste sie nicht mehr, was sie mit ihren Händen machen sollte.
Neben dem Hotelstrand erstreckte sich eine Landzunge ins Meer, am Abhang über dem Wasser ragte ein steinernes Denkmal in die Höhe, das man vom Strand, nicht jedoch vom Hotel aus sehen konnte, ein kleines Wäldchen verdeckte die Sicht. Greta wollte unbedingt wissen, was für ein Denkmal das war. Peter interessierte sich nicht dafür, und ich hatte keine Lust, den bequemen Platz im Strandkorb aufzugeben. Ich erlaubte Greta, zu dem Monument hinzulaufen, unter der Bedingung, dass sie stets in unserem Sichtfeld blieb, mit Peters Hilfe rückte ich den Strandkorb entsprechend zurecht.
Als sie nach etwa zehn Minuten ihr Ziel erreicht hatte, erwartete ich, dass sie uns zuwinken würde. Aber sie dachte nicht an uns. Ohne stehen zu bleiben, genauso schnell, wie sie die Wiese auf der Landzunge überquert hatte, ging sie auf das Denkmal zu und verschwand dahinter. Sofort war ich beunruhigt. Ich sagte mir, sie entziffert eine Inschrift, aber ich glaubte selbst nicht daran.
Ich nahm Peter bei der Hand, und wir eilten hastig zu der Landzunge hin. Der Abhang über dem Wasser war nicht steil, falls Greta ausgerutscht war, konnte ihr nicht viel passiert sein, sie war auch eine gute Schwimmerin. Allerdings bestand die Möglichkeit, dass
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