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Der Überraschungsmann

Titel: Der Überraschungsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Ich schüttete den Rest des Wassers in mich hinein und drehte das Glas in meinen Händen. »Ich bin einfach so geschockt.«
    »Was hast du beim Saubermachen gefunden?«, fragte Wiebke, griff nach einem Tiegelchen, öffnete es und roch daran. Sie tat so, als wäre das hier eine Tupperparty.
    »Also eigentlich hat Paulinchen … Die ist mit dem Baby unter dem Bett herumgekrochen …«
    Wiebke schüttelte tadelnd den Kopf, während sie sich einen Tupfer Creme auf den Handrücken strich.
    »… und hat so ein … ähm … Schmuddelmagazin gefunden, mit eindeutigen Fotos.«
    »Was lässt du deine kleinen Kinder auch unter die Betten meiner Söhne krabbeln?«
    Wiebke verrieb die Creme und roch prüfend daran.
    »Wiebke, wir stehen völlig unter Schock!«
    Täuschte ich mich, oder glitt ein zufriedenes Grinsen über ihr Gesicht?
    »Vielleicht hätte dich Volker über die Neigungen unseres Sohnes informieren sollen?«, spottete Wiebke. »Hier, riech mal!« Völlig betäubt schnupperte ich daran. Ein widerlich-medizinischer Duft drang mir in die Nase, und mir zog sich der Magen zusammen.
    »Die habe ich neu im Sortiment. Wenn du willst, schenke ich dir ein Pröbchen.«
    »Wegen Nathan … Ich meine, das haut mich total aus den Puschen.« Verzweifelt schob ich diesen übel riechenden Tiegel aus meiner Nähe.
    »Also, Barbara, wenn das alles ist … Wie gesagt, ich wollte gerade schließen. Nathan ist schwul. Dass er damit nicht hausieren geht, ist seine Entscheidung, die offensichtlich auch Volker respektiert. Und wenn du in seinem Schlafzimmer rumschnüffelst und auch noch deine Kinder dazu animierst …«
    »Ich habe sauber gemacht!«, hörte ich mich kreischen.
    Wiebke stemmte die Hände in die Hüften. »Warum leistest du dir keine Putzfrau?«
    »Weil …, weil ich wegen des Babys zu Hause bleiben muss. Weil ich nichts mehr verdiene. Weil Volker ohnehin so viele Ausgaben hat …«
    Wiebke schüttelte spöttisch den Kopf, griff nach dem Schlüsselbund neben der Kasse und klapperte damit.
    »Wenn du also sonst nichts Dringendes brauchst – die Superluxushandcreme willst du offensichtlich nicht …«
    »War Nathan…« Irgendwie schaffte ich es aufzustehen. »War er schon immer …?«
    »Schwul? Ja.«
    »Hat er eventuell früher mal…«
    »Du meinst, ob er es vorher mit Mädels probiert hat?«
    »Ja?!« Ein letzter schwacher Hoffnungsschimmer machte sich in mir breit.
    Doch Wiebke schüttelte den Kopf, ohne mit dem Lächeln aufzuhören. »Lass mich überlegen … Ähm, nö.«
    »Es ist also völlig unmöglich, dass er jemals …«
    »Wenn es dich beruhigt: Er ist seit Längerem fest liiert, mit einem älteren Herrn aus dem Bridgeclub. Er heißt Franz und fördert Nathan, auch mit Geld.« Ihre Augen wurden zu schmalen Strichen. »Du hast dich sicher schon gewundert, woher er das Geld für seine Markenklamotten und seinen Lebensstil nimmt. Volker und ich sind nicht wirklich glücklich darüber, aber Nathan ist erwachsen. Immerhin hat er uns versprochen, vorerst nicht mit diesem Franz zusammenzuziehen, und hat sich auf das Fertighaus eingelassen, das Volker für unsere Söhne gekauft hat.«
    Jetzt sank ich wieder zurück auf den Stuhl. »Seit … äh … wann, sagst du, ist er mit diesem … Franz zusammen?«
    »Seit etwas über drei Jahren.«
    »Aber warum habt ihr mir das nie erzählt?«
    »Warum sollten wir?« Sie stieß ein entrüstetes Schnauben aus. »Nathan ist UNSER Sohn!« Es folgte ein höhnisches Lachen: »Weißt du, ALLES kannst du mir nicht wegnehmen, Barbara.« Sie begann wieder ihre Parfümpröbchen aufeinander zu stapeln.
    Plötzlich fuhr sie herum. »Das dicke Ende kommt noch – warte nur!«
    Ihre Augen waren zwei glühende schwarze Kohlen. Was meinte sie damit? Was sollte das bedeuten?
    »Ich habe gedacht, er … Also Volker hat mir versichert …«
    Oh, Gott. Was tat ich hier eigentlich? Wieso war ich hergefahren? Was hatte ich mir davon erhofft? Trost? Einen Rat? Eine Aussprache von Frau zu Frau? Wie naiv war ich jetzt schon wieder? Sollte ich dieser Frau etwa vertrauen? Sie um Hilfe bitten? Um Beistand? Ich wischte mir den kalten Schweiß von der Stirn. Weidete sich diese fiese Wiebke nicht längst an meinem Unglück, während ich noch überlegte, ihr die Sache mit Lisa zu erzählen? Davon, dass ich den schrecklichen Verdacht hatte, Lisa und Volker hätten ein Geheimnis vor mir? Von dem … Kuckuckskind, das er mir ganz offensichtlich untergeschoben hatte? Das ich in mein Herz geschlossen hatte wie mein

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