Der Überraschungsmann
meine Begeisterung partout nicht teilen, sondern rührten nur gelangweilt in ihren Eisbechern.
Der Kinderwagen wackelte. Fanny geruhte zu erwachen. Ihr kleines Füßchen lugte unter der rosa Wolldecke hervor. Vorsichtig nahm ich die kleine Fanny aus ihrem Kinderwagen, um ihr Tee aus dem Fläschchen zu reichen. Sie sah herzallerliebst aus in ihrem rosa Strampler, dem Mützchen und den winzigen Schühchen, von denen sie sofort eines verlor.
»Mama, lass MICH !«
»Nein, MICH ! Die blöde Charlotte durfte schon dein Handy haben!«
»Aber Kinder, das ist ein Baby und kein Spielzeug!«
»Ich will sie halten!«
»Du hast sie heute Morgen schon gefüttert! Jetzt bin ICH dran!«
»Kinder, BITTE , nicht so laut!« Verlegen lachend blickte ich mich um. Vorsichtig legte ich erst Paulinchen, später Charlotte das Baby in den Arm, half beim Fläschchengeben, nahm dem schwitzenden kleinen Menschlein das Mützchen ab, strich über den blonden Haarflaum. Wahrscheinlich machte ich einen fürchterlich hingebungsvollen Eindruck, jedenfalls sprach mich plötzlich eine ältere Dame vom Nachbartisch an.
»Was für eine verblüffende Ähnlichkeit!«
Irritiert zuckte ich zusammen. Gerade hatte ich an Sven gedacht! Woher konnte die fremde Frau das wissen?
»Alle drei Töchterchen sehen ihrem Vater so ähnlich!«
»Ähm … wie bitte?« Höflichkeitshalber drehte ich mich zu der Dame um.
»Na, Sie und Ihre drei Mädels! Eine fescher als die andere!«
»Danke«, sagte ich und lächelte geschmeichelt. Das kommt ja in den besten Familien vor, dachte ich. Dass Kinder ihrem Vater ähnlich sehen. Nur hier verwechselte sie was.
»Die beiden Großen sahen als Babys ja GENAUSO aus!« Die etwas penetrante Frau zeigte auf Charlotte und Pauline, die sich bereits wieder mit ihren technischen Geräten beschäftigten.
»Wie dieses Putzerl hier!« Sie zwickte Fanny leutselig in den Fuß.
»Woher wollen Sie das wissen?« Irritiert griff ich nach meiner Sonnenbrille. »Kennen wir uns?«, fragte ich höflich.
»Na, die Babybilder von den beiden Großen hängen doch in seiner Praxis! Sie sind doch die Frau vom Doktor Wieser?«
»Ja!« Natürlich! Gerade hatte ich noch geschwärmt, wie schön es ist, dass hier jeder jeden kennt. Jetzt unterdrückte ich ein leichtes Unwohlsein. »Ach so, sind Sie eine Patientin?«
»Schon seit Jahren! Alle vier Babybilder hängen da. Fehlt nur noch das Neueste! Die Söhne haben auch eine gewisse Ähnlichkeit mit diesem Schatzerl. Besonders der Jüngere, Emil heißt er, nicht wahr? Die gleichen blonden Löckchen! Der Ältere war ja eher dunkel und kam nach seiner Mutter, der Apothekerin. Was macht denn der Nathan?«
»Danke, es geht ihm gut.«
»Und die Wiebke?«
»Auch gut.« Zumindest nahm ich das an.
»Kürzlich traf ich noch die Gerlinde, die im Haus vom Doktor Wieser und der Wiebke gewohnt hat, mit ihrem Sohn. Die wohnt ja jetzt da hinten.« Sie zeigte in die Richtung, aus der hoffentlich bald Volker kommen würde. »Der Bua ist ja auch schon groß.«
»Ja«, sagte ich freundlich. Hier rein, da raus.
Die Frau musterte mich neugierig. »Schön, so eine funktionierende Patchworkfamilie, nicht wahr? Früher gab es ja so etwas nicht.«
»Nein.« Lächelnd setzte ich meine Sonnenbrille auf. So! Schön Klappe halten jetzt, es reicht mit dem wirren Geschwätz.
Wie heißt denn das süße Baby?«
»Fanny«, sagte Pauline stolz. »Wegen Mendelssohn Bartholdy. Findet die Oma gut.«
»Finden wir ALLE gut«, beteuerte ich schnell.
»Aber diese Ähnlichkeit!«
Die betuliche Tante mit der rosa Rüschenbluse bekam sich gar nicht wieder ein. Na ja, sie trug eine dicke Brille, und außerdem blendete die Sonne. In der Nacht sind alle Katzen grau, und für alte Damen sehen Babys sowieso alle gleich aus.
Ich tauschte einen verschwörerischen Blick mit Charlotte, die gerade unter dem Tisch hervorgekrabbelt kam, weil sie das Babyschühchen aufgehoben hatte.
»Sie hält mich für Fannys Mama«, erklärte ich augenzwinkernd. »Und euch für ihre Schwestern.«
»Ist doch geil!«
»Die gleichen blonden Löckchen und die gleichen dunkelbraunen Augen. Und diese runden niedlichen Wangerl, gell?« Die Frau gab so schnell nicht auf! »Wie Sie nach der Geburt schon wieder so gut aussehen können, Frau Doktor … und so schlank!«
»Ähm, um der Wahrheit Genüge zu tun, ich glaube, Sie verwechseln da was! Erstens bin ich nämlich gar keine Frau Doktor, und zweitens bin ich nur die Patentante …«
» PAPA !«
»Papa!
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