Der und kein anderer Roman
den Händen in den Hosentaschen stand und über die Skyline von San Antonio schaute. Etwas Abstand wahrend stellte sie sich neben ihn.
»Hier vertrocknet alles sehr leicht«, meinte er, ohne sie anzusehen. »Bewässerung ist eine wirkliche Herausforderung.«
Sie blickte auf die Terrakottakübel, in denen Bäume wuchsen, und die Kästen, die mit bunt blühenden Stauden bepflanzt waren. Ein Hibiskus mit leuchtend gelben Blüten berührte ihren Rock. Sie würde viel lieber über Gärten reden als über das, was vor ihr lag.
»Mit meinen Hängeampeln habe ich das gleiche Problem. Sie hängen unter dem Erkerfenster und bekommen deswegen kein Regenwasser ab.«
»Warum hängst du sie nicht woanders hin?«
»Ich sehe sie so gerne von meinem Schlafzimmerfenster aus.«
Augenblicklich bereute sie die Erwähnung des Schlafzimmers und wandte den Blick ab.
»Für eine reife Frau bist du nervös wie ein Teenager.« Seine Stimme war leise und etwas heiser. Sie erstarrte, als er sich ihr zuwandte und mit den Händen ihre Oberarme umfasste. Seine Körperwärme drang durch die dünne Seide ihres Kleids. Er beugte den Kopf.
Ihre Lippen öffneten sich protestierend, als er sie mit den seinen verschloss. Vollkommen erstarrt bereitete sie sich auf einen schrecklichen Angriff vor, doch sein Kuss war überraschend zärtlich. Er ließ seine Lippen sanft über ihren Mund gleiten – sie hatte nicht erwartet, dass sie sich so weich und warm anfühlen würden. Sie schloss die Augen.
Er verlagerte sein Gewicht und presste seine Hüften leicht an sie. Sie erstarrte, als sie seine Erregung spürte. Behutsam ließ er von ihr ab. Als sie zu ihm aufblickte, konnte sie ihre Verwirrung nicht verbergen. Hatte sie ihm tatsächlich für einige Sekunden nachgegeben? Sicher nicht. Zweifellos war es lediglich Ekel, den sie ihm gegenüber empfand. Trotz seines Einflusses und seines Geldes war er immer noch Way Sawyer, der schlimmste Rabauke der Oberschule von Telarosa.
Er strich ihr eine Locke von der Wange. »Du siehst aus wie ein Mädchen, das gerade ihren ersten Kuss bekommen hat.«
Sein Kommentar verwirrte sie fast ebenso sehr wie sein Kuss. »Ich besitze in diesen Dingen nicht viel Erfahrung.«
»Du warst dreißig Jahre lang verheiratet.«
»So meine ich es nicht. Ich meine … mit jemand anderem.«
»Du warst nie mit jemand anderem als Hoyt zusammen, nicht wahr?«
»Sicher hältst du mich jetzt für ein richtiges Landei?«
»Er ist seit vier Jahren tot.«
Sie senkte den Kopf und hörte, wie die nächtliche Brise ihre geflüsterten Worte davontrug. »Ich auch.«
Sie schwiegen. Als er das Schweigen brach, hörte sie aus seiner Stimme fast eine Spur Unsicherheit heraus. »Wir sollten einander vielleicht doch erst ein wenig besser kennen lernen, bevor wir etwas anderes tun. Findest du nicht?«
Hoffnungsvoll sah sie mit geweiteten Augen zu ihm auf. »Du wirst nicht … Du wirst mich nicht bedrängen?«
Die Lippen, die sie gerade eben erst geküsst hatten, verspannten sich. »Willst du das denn?«
Ihre Hoffnung verebbte und wurde von einer wilden Wut ersetzt. »Du spielst schon wieder deine Spielchen mit mir. Wie kannst du nur so gemein sein?«
Sie wirbelte herum und rannte durch die offenen Balkontüren ins Haus zurück. Auf dem Flur, kurz vor seinem Schlafzimmer, holte er sie ein. Die Leere in seinem Blick erschrak sie.
»Du hast keine Ahnung, was Gemeinheit überhaupt ist«, stieß er hervor. »Von Geburt an hast du ein sehr beschütztes Leben leben können.«
»Das stimmt nicht!«
»Nein? Weißt du denn, wie es sich anfühlt, wenn man abends hungrig ins Bett steigt? Kannst du dir vorstellen, die eigene Mutter dabei zu beobachten, wie sie den langsamen Tod der Scham stirbt?«
Sie konnte es nicht länger ertragen. Abrupt wandte sie sich der Schlafzimmertür zu und drehte den Griff herum. »Lass uns die Sache hinter uns bringen.«
Als sie das Zimmer betrat, hörte sie ihn leise fluchen. Wie eine Gefangene blickte sie sich in den tiefrot gestrichenen Wänden um. Ein breites Mahagonibett, auf dem in dunklem Paisley gehaltene Kissen lagen, stand hinter ihr in einem Erker. Zitternd wandte sie sich ihm zu.
»Ich möchte, dass das Licht aus ist.«
Wieder schien er zu zögern. »Suzy …«
Sie schnitt ihm das Wort ab. »Mit Licht mache ich es nicht.«
»Willst du denn so tun, als ob ich Hoyt bin?«, erkundigte er sich wütend.
»Ich könnte dich niemals mit Hoyt Denton verwechseln.«
Er sprach mit der gleichen Kälte wie sie.
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