Der und kein anderer Roman
presste den Hörer ans Ohr. »Bruno, ich habe dich doch nicht geweckt, oder? Das ist gut. Hör mal, ich habe Steve Crazes Nummer nicht dabei. Würdest du ihn bitte für mich anrufen und ihm sagen, dass er den Baron morgen nach Telarosa fliegen soll.« Er wechselte die Spur. »Ja, genau. Ich dachte, wenn ich nicht gerade arbeite, könnte ich mir die Zeit mit etwas Fliegen vertreiben. Danke, Bruno.« Er legte den Hörer zurück und summte Luckenbach, Texas .
Gracie bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Der Baron?«
»Ein kleines Turboflugzeug. Es steht auf einem Flughafen ungefähr eine Stunde von meinem Haus in Chicago entfernt.«
»Soll das heißen, du kannst fliegen?«
»Hatte ich das noch nicht erwähnt?«
»Nein«, erwiderte sie mit bebender Stimme. »Das hast du nicht.«
Er kratzte sich an der Schläfe. »So was aber auch, den Pilotenschein habe ich … na, fast schon seit neun Jahren.«
Sie biss die Zähne zusammen. »Und dein eigenes Flugzeug besitzt du auch.«
»Ein süßes kleines Ding.«
»Und den Pilotenschein?«
»Aber sicher doch.«
»Warum in aller Welt mussten wir dann nach Telarosa fahren?«
Er musterte sie leicht gekränkt. »Das war nur so eine Idee von mir, mehr nicht.«
Sie stützte den Kopf auf die Hände und versuchte sich vorzustellen, wie er gänzlich unbekleidet tot in der Wüste lag, Geier sein von Maden durchsetztes Fleisch pickten und Ameisen in seinen Augenhöhlen wuselten. Leider wollte es ihr nicht gelingen, das Bild wirklich gruselig zu gestalten. Wieder einmal hatte er genau das getan, wonach ihm der Sinn stand, ohne irgendwelche Rücksichten auf andere zu nehmen.
»Diese Frauen haben keine Ahnung, wie glücklich sie sich schätzen können«, knurrte sie.
»Von welchen Frauen sprichst du?«
»Von all denen, die das Glück hatten, durch deinen Footballtest durchzufallen.«
Er lachte leise, zündete sich eine Zigarre an und sang dann den Refrain von Luckenbach, Texas mit.
Von Dallas aus fuhren sie Richtung Südwesten und durchquerten weites Weideland, was von grasenden Kühen und Schatten spendenden Nussbäumen durchsetzt war. Als die Landschaft bergiger und steiniger wurde, sahen sie viele Wochenendhäuser und ein bisschen des lokalen Wildtierlebens: Enten, Hasen und wilden Truthahn. Bobby Tom hatte ihr erzählt, dass Telarosa am Rande der texanischen Berge
gelegen war, im Umkreis von hundert Meilen unbesiedelter Landschaft. Weil es so sehr isoliert lag, hatte es am Wohlstand von Städten wie Kerrville und Fredericksburg nicht teilhaben können.
Während ihres morgendlichen Telefonats mit Willow hatte ihre Chefin sie beauftragt, Bobby Tom direkt nach Lanier zu bringen, einem kleinen Gestüt ein paar Meilen östlich außerhalb der Stadt, wo ein Großteil der Dreharbeiten stattfinden würde. Gracie würde also die Stadt ohnehin erst am Abend besichtigen können. Da er den Ort zu kennen schien, den Willow beschrieben hatte, hatte Gracie nicht länger die Schilder laut vorgelesen.
Sie bogen von der Autobahn auf eine schmale Asphaltstraße ab. »Gracie, diesen Film, den wir da drehen werden … vielleicht kannst du mir etwas darüber erzählen.«
»Zum Beispiel?« Sie wollte bei ihrer Ankunft einen guten Eindruck machen und kramte in ihrer Handtasche nach einem Kamm. Heute Morgen hatte sie ihr dunkelblaues Kostüm angezogen, um anständig auszusehen.
»Nun, die Handlung zum Beispiel.«
Gracie hielt inne. »Hast du etwa das Drehbuch nicht gelesen?«
»Ich bin einfach nicht dazu gekommen.«
Sie schloss ihre Handtasche und musterte ihn. Warum würde ein offenbar intelligenter Mann wie Bobby Tom eine Filmrolle annehmen, ohne vorher das Drehbuch gelesen zu haben? War er derart undiszipliniert? Natürlich wusste sie, dass er dem Vorhaben nicht sonderlich begeistert gegenüberstand. Dennoch hätte sie erwartet, dass er dafür ein gewisses Maß an Interesse wenigstens zu Tage befördert hätte. Es musste einen Grund geben, dass er sich so sträubte … In diesem Moment überkam sie eine schreckliche Ahnung, bei der ihr beinahe schlecht wurde. Impulsiv umfasste sie seinen Oberarm.
»Kannst du etwa nicht lesen, Bobby Tom?«
Er zuckte zu ihr herum und funkelte sie entrüstet an. »Natürlich kann ich lesen. Immerhin besitze ich einen Universitätsabschluss.«
Gracie hatte davon gehört, dass man Footballspielern, was ihre akademischen Abschlüsse betraf, reichlich großzügig Spielraum gab. Also war sie misstrauisch. »In welchem
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