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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Jones
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rebellierenden Patience auf dem falschen Fuß erwischt worden war, hastig auf.
    »Wollen Sie das wirklich?«, sagte er mit seltsam herrischer Stimme. »Dann verpassen Sie doch die nächste Jagd.«
    Ernest zögerte. Der Gesang aus dem Studierzimmer, der sich vorübergehend gelegt hatte, war nun wieder lauter zu hören:
    With all my might, I nearly balanced over,
    But my old friend grasp’d my leg and pulled me back again
    »Das Spiel soll tatsächlich fortgesetzt werden?«, fragte er und sah sich unter allen um.
    Emerald betrachtete ihre Hände, Florence hantierte mit den feuchten Servietten herum, Clovis sah Traversham-Beechers auf eine Weise an, die an Bewunderung grenzte. Es war Charlotte, die seinen Blick unbeeindruckt erwiderte und sagte: »Für einen so jungen Mann kannst du ganz schön langweilig sein, Ernest. Bleib hier und amüsier dich mit uns.«
    Ernest war hin- und hergerissen zwischen guten Manieren und dem Wunsch, nichts mit dieser verderbten Lustbarkeit zu tun zu haben.
    »Das nächste Reh also«, sagte Charlie, als wäre alles beschlossene Sache. »Und das wird Miss Sutton sein.«
    »Nein, Sie Flegel«, sagte Ernest, nun ebenso gebieterisch wie sein Gegenspieler. »Dabei wird sie auf keinen Fall mitmachen.«
    »Wirklich nicht? Im Gegenteil, sie wird. Sie muss«, sagte Charlie glatt. »Der erste Spürhund, der aufgibt, wird in ein Reh verwandelt. Das weiß schließlich jeder! Sie hat das Glas weitergereicht, ohne daraus zu trinken. Ohne daraus zu trinken! So lauten die Regeln nun einmal!«
    Ernest wandte sich an die ganze Tischrunde. »Mrs Swift? Bitte, Clovis? Grundgütiger!«
    Keine Stimme erhob sich, um ihm zu helfen. Niemand schlug sich auf seine Seite. Alle waren völlig gebannt – Emerald geradezu verhext.
    »Ist schon gut, Ernest«, sagte Patience unvermittelt. »Lass uns spielen. Es macht mir nichts aus.«
    »Doch, es macht dir etwas aus. Und ich spiele nicht mit.«
    »Setz dich, Ernest. Wirklich, es ist gut. Du hast es doch selbst gesagt. Es ist nur ein albernes Spiel.«
    Er konnte es ihr nicht abschlagen, er konnte sie nicht allein lassen. Also setzte er sich, rückte seinen Stuhl aber dichter an sie heran, damit sie wenigstens Trost aus seiner Nähe schöpfen konnte.
    »Es ist nichts Persönliches«, sagte der ungehobelte Gentleman. »Es ist einfach nur ein Spiel. Und Ihre Schwester ist an der Reihe. Also, fangen wir an.«
    Er füllte ein frisches Glas mit Portwein aus der Karaffe.
    »Ich bin der erste Spürhund«, sagte er. Alle warteten stumm.
    Er hob das Glas, hielt es ganz still und sagte im hastigen, aufmunternden Ton eines Mannes, der einen Ball ins Rollen bringt: »Miss Sutton hat das Gefühl, dass sie nicht ganz so intelligent ist wie die anderen jungen Damen am Newnham College«, sagte er. »Richtig?«
    »Genug«, rief Ernest. »Was wissen Sie denn schon von ihr?« Aber die anderen empfanden, obwohl sie, anders als vorhin, bei ihm nicht lachten, dieselbe zwanghafte Faszination des Augenblicks. Sie waren jetzt Jagdhunde, die Unbarmherzigkeit war ihnen angeboren.
    Smudge war nach unten gekommen, um sich ihr Stück Kuchen nicht entgehen zu lassen und Tenterhooks zu holen, denn sie wollte das Kätzchen, das sicher leichter zu handhaben war als Lady, in ihre Kollektion kohlegezeichneter Tiere aufnehmen. Völlig überdreht vor Aufregung und Müdigkeit, schloss sie ihre Tür auf und schlich durch den Korridor. Sie konnte Myrtle in der Küche herumhantieren hören, wollte ihr aber nicht über den Weg laufen und nahm deshalb die Haupttreppe. Auf dem Weg zum Speisezimmer schlich sie auf Zehenspitzen an der Tür des Studierzimmers vorbei. Die ungeladenen Gäste hörten sich an, als hätten sie, wie Robert es ausgedrückt hätte, einen Heidenspaß – sie hatte ähnlich ausgelassene Geräusche durch die Türen von Gastwirtschaften gehört, aber natürlich noch nie zuvor in Sterne. Angst hatte sie keine – sie vertraute darauf, dass die Erwachsenen die Situation unter Kontrolle hatten –, aber exotisch war es schon.
    »Sehr exotisch, würde ich sagen«, murmelte sie vor sich hin, als sie sich dem Speisezimmer näherte, um sich ihren Kuchen schmecken zu lassen und ihrer Schwester einen Geburtstagskuss zu geben.
    In der Nähe der Tür fing sie an, auf Zehenspitzen an der Wand entlangzuschleichen, erst in instinktiver kindlicher Heimlichtuerei, dann aber hörte sie, dass drinnen ein Spiel im Gang war, und sie drückte sich an die Tür, um zu lauschen.
    Während die Luft um sie herum von den

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