Der ungeladene Gast
lauter erklangen, als sie die Hand nach dem Türknauf ausstreckte, aber Charlie versperrte ihr den Weg, während die anderen auf sie zustürzten. Sie durchbrach ihre Reihen und lief an der Längsseite des Raums entlang, hin zu Ernests schützenden Armen. Die Meute verfolgte sie in wilder Hatz. Charlie, die langen Arme vorgereckt wie die einer Marionette, mit hektisch fuchtelnden Händen, rannte auf der anderen Seite um den Tisch herum, um ihr den Fluchtweg abzuschneiden, während hinter ihm die anderen Hunde ekstatisch bellten.
»Haltet sie auf. Haltet sie auf! Sie muss schon völlig erschöpft sein!«
Sie duckte sich hinter Ernest in die Ecke, und er hob abwehrend die Fäuste, während Charlie schrie: »Jetzt! Sie ist eingekesselt. Schnappt sie euch!«
»Deine Brille! Ernest, deine Brille!«, schrie Patience in Erwartung eines Handgemenges, während Emerald, Charlotte und Florence bellten und kläfften.
»Keinen Schritt näher! Ich schwöre, ich schlage zu!« Ernest meinte die Männer, war aber wütend genug, um auch Hand an die Frauen zu legen, wenn es nötig wäre.
Fassungslos stand er ihrer Hysterie gegenüber – ihrem Gejohle, ihrem Gelächter, ihren gebleckten Zähnen und den zu Klauen gekrümmten Händen –, während sich Patience, kreidebleich vor nacktem Entsetzen, immer schwächer werdend, in die Ecke hinter ihm drückte. Die Hunde geiferten und kläfften, schlugen mit den Krallen und heulten, bis Patience schließlich nicht mehr konnte und anfing, hysterisch zu lachen, wild, freudlos, bis sie keine Luft mehr bekam und ihre Augen sich mit Tränen füllten. Sie schnappte nach Luft, halb weinend, halb lachend, die Augen weit aufgerissen, während das Kläffen in ihren Ohren gellte.
»Das hier ist mein Gewehr!«, rief Charlie und schwenkte einen langen, silbernen Kerzenlöscher, den er von der Anrichte gerissen hatte, hoch über seinem Kopf. Dann deutete er damit an Ernest vorbei auf Patiences Gesicht und machte » PENG !«, woraufhin Patience wie vom Blitz getroffen ohnmächtig zu Boden sackte.
Ernest, der als Einziger mit dem Rücken zu ihr stand, war der Letzte, der merkte, was geschehen war. Der Ausdruck auf den Gesichtern der anderen verriet es ihm. Clovis trat besorgt einen Schritt vor, blieb aber sofort wieder stehen. Erschrocken drehte Ernest sich um. Patience lag zusammengesunken auf dem Boden, das Gesicht blutleer. Ihr Anblick machte dem Spiel ein Ende. Ihre Verfolger verstummten. Schweigend beobachteten sie, wie Ernest sich hinkniete und Patience hochhob.
»Ihr Scheusale«, sagte er, so wie sie es vorhin getan hatte, und trug sie zur Bank unter dem Fenster.
»Sie ist nur ohnmächtig geworden«, sagte Charlie, ging zurück zu seinem Platz, leerte das Portweinglas und strich sich glättend über die Haare. Die anderen, vor Schock verstummt, waren nach allem, was sie getan hatten, nicht in der Lage, Besorgnis zu zeigen, gleichzeitig aber auch so entsetzt über das, was passiert war, dass sie unfähig waren, irgendetwas anderes zu tun.
Es dauerte nicht lange, bis Patience wieder zu sich kam.
»Hallo«, sagte sie, wie Menschen es beim Aufwachen manchmal tun, so als seien sie weit fort gewesen und gerade erst zurückgekommen.
»Hallo«, antwortete ihr Bruder ernst, vergaß seine Empörung und empfand nur noch Erleichterung.
»Was ist passiert?«, fragte sie.
Niemand sagte etwas, da keiner von ihnen eine Antwort wusste.
»Ach ja, wir haben gespielt«, fiel es ihr selbst wieder ein. Sie stützte sich auf einen Ellbogen und sah sich um, und plötzlich erinnerte sie sich wieder an die Beleidigungen und Beschimpfungen, und sie runzelte traurig und errötend die Stirn.
Emerald kniete sich neben sie und nahm ihre Hand. »Patience?«, flüsterte sie, aber Ernest, neben ihr, ließ sie nicht zu Wort kommen.
»Was hast du dir nur dabei gedacht?«, fragte er aufgebracht.
»Es tut mir so leid. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist«, flüsterte sie, aber weder Bruder noch Schwester sagten etwas darauf.
»Sollen wir jetzt weitermachen?«, fragte Charlie Traversham-Beechers völlig ungerührt.
»Das kann doch nicht Ihr Ernst sein«, fuhr Charlotte ihn an und äußerte damit, was alle fühlten. »Das alles ist schon viel zu …«
»Viel zu weit gegangen?«, unterbrach er sie und tastete sein Jackett auf der Suche nach einer neuen Zigarre ab. »Das sagen die Leute immer. Und es stimmt nie. Wir sind gerade erst am Anfang, Mrs Swift. Als Nächstes sind Sie an der Reihe.«
»Ich?« Ihr Gesicht
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