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Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Titel: Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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sagte sie. »Schade, dass es so gekommen ist.«
    Dass es so gekommen ist?, dachte er. Schade? Was für eine Untertreibung.
    »Ja«, sagte er. »Es tut mir Leid, dass ich nicht mehr Kontakt zu Erich hatte. Ich hätte natürlich ...«
    »Das war nicht deine Schuld«, fiel sie ihm ins Wort. »Er war
ein wenig ... ja, wie soll ich sagen?« Sie zuckte die Schultern. »Aber ich habe ihn geliebt. Wir haben uns gut verstanden, wir schienen durch diese Beziehung zu wachsen ... auf irgendeine Weise. Und ich muss dir etwas sagen.«
    Das hatte er total vergessen.
    »Sicher, ja«, sagte er. »Was denn?«
    Sie ließ seinen Arm los und starrte eine Weile in ihre Teetasse. Rührte langsam mit dem Löffel um.
    »Ich weiß nicht, wie du das aufnehmen wirst, aber ich bekomme ein Kind. Bin im dritten Monat schwanger ... tja, so ist es einfach.«
    »Herrgott«, fuhr es aus ihm heraus, und danach blieb ihm wirklich der Rauch im Hals stecken.
     
    Am Dienstagmorgen brachte er Jess in aller Frühe nach Sechshafen. Er hatte ihr und Renate von seinem Gespräch mit Marlene Frey erzählt. Jess hatte am Montagabend bei ihr angerufen und sich für das nächste Mal, wenn sie nach Maardam kam, mit ihr verabredet. Hoffentlich würde das gleich nach Neujahr der Fall sein.
    Eigentlich hatte auch Renate mit zum Flughafen kommen wollen, aber sie war angeblich mit Fieber und Angina erwacht. Van Veeteren segnete die Bazillen und mutmaßte, dass auch Jess ihnen nicht gerade feindlich gesonnen war.
    Auch an diesem Morgen hielt sie seine Hand, während sie im Schneckentempo durch die Nebelgürtel in Landsmoor und Weill fuhren; eine warme Hand, die seine ab und zu energisch drückte. Er begriff, dass es sich um Signale handelte, um Signale töchterlicher Liebe und um Signale der bekannten alten Trennungsangst. Die an diesem Tag natürlich stärker denn je war. Angst vor der Trennung von den Wurzeln, in dieser flachen nordeuropäischen Landschaft. Von Erich. Vielleicht vor allem von ihm.
    »Es ist schwer, sich zu trennen«, sagte er.
    »Ja«, sagte sie. »Das ist schwer.«

    »Man lernt es nie. Aber das ist auch irgendwie der Sinn der Sache.«
    Ein kleines Sterben, hätte er fast hinzugefügt, konnte es aber gerade noch hinunterschlucken.
    »Ich kann Flugplätze nicht leiden«, sagte sie. »Ich fürchte mich immer ein wenig, wenn ich irgendwohin reise. Erich ging es auch so.«
    Er nickte. Das hatte er nicht gewusst. Er fragte sich, wie viel er von seinen Kindern wohl nicht wusste. Wie viel er unterwegs verloren hatte, und wie viel er wohl nicht in Erfahrung bringen und reparieren konnte.
    »Aber ich habe ihn so wenig gekannt«, fügte sie nach einer Weile hinzu. »Ich hoffe, dass ich Marlene mögen werde, ich habe das Gefühl, dass er doch immerhin eine Spur hinterlassen hat. Ja, ich hoffe, alles geht gut. Es wäre schrecklich, wenn ...«
    Sie beendete diesen Satz nicht. Nach einer Weile merkte er, dass sie angefangen hatte zu weinen, und er drückte lange ihre Hand.
    »Es geht jetzt aber besser«, sagte sie danach. »Besser als bei meiner Ankunft. Ich werde mich nie damit abfinden können, aber im Moment bin ich fast ruhig. Oder stumpft das viele Weinen einfach ab, was meinst du?«
    Er brummte irgendeine Antwort. Nein, dachte er. Nichts geht vorüber, und die ganze Zeit sammelt sich mehr an. Tag für Tag, je älter wir werden.
    Als sie sich dem Flughafen näherten, ließ sie seine Hand los. Zog ein Papiertaschentuch hervor und wischte sich die Augen.
    »Warum hast du eigentlich bei der Kriminalpolizei aufgehört?«
    Die Frage kam überraschend, und für einen Moment kam er sich fast hilflos vor.
    »Ich weiß nicht so recht«, erwiderte er. »Ich hatte wohl ganz einfach genug ... das ist wohl die leichteste Erklärung. Es war ein ganz starkes Gefühl, und deshalb brauchte ich es nicht näher zu analysieren.«

    »Ich verstehe«, sagte sie. »Ja, es gibt sehr viel, was eigentlich ohne Analyse auskommt.«
    Sie verstummte, aber er wusste, dass sie noch mehr auf dem Herzen hatte. Er ahnte auch, was, und nach einer halben Minute sprach sie weiter.
    »Es ist komisch, aber ich denke immer wieder an etwas, wovon ich geglaubt hätte, dass es mich nie im Leben interessieren würde ... anfangs, als ich von Erichs Tod erfahren habe, meine ich.«
    »Was denn?«, fragte er.
    Wieder zögerte sie.
    »An den Mörder«, sagte sie. »An den, der es getan hat. Ich will wissen, wer es getan hat und warum es passiert ist. Immer mehr will ich das wissen. Findest du das

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