Der Ungnädige
es nicht genauer angeben, weil es im Lagerhaus so kalt war. Dadurch war ihre Leiche in sehr gutem Zustand. «
» Wurde sie sexuell missbraucht? « , fragte Derwent.
» Ja. «
Das war zwar wenig überraschend, aber trotzdem spürte ich, wie alle um mich herum auf dieses eine Wort reagierten und die Stimmung im Raum danach leicht verändert war. Alle Gesichter, die ich sehen konnte, waren sehr ernst.
» Mehrfach? «
» Allem Anschein nach ja. Glen hat Prellungen und Schürfwunden in unterschiedlichen Heilungsstadien festgestellt, die eindeutig über einen Zeitraum von mehreren Tagen entstanden sind. «
» Besteht in Anbetracht des natürlichen Todes die Möglichkeit, dass der Sex einvernehmlich war? So in Richtung harte Praktiken, die aus dem Ruder gelaufen sind? « Als in der Runde Missfallen hörbar wurde, sah Maitland sich um. » Die Frage wird ja wohl erlaubt sein. Nur weil sie minderjährig und die Sache somit illegal war, muss das ja nicht unbedingt heißen, dass sie nicht freiwillig mitgemacht hat. «
» Die Frage ist natürlich erlaubt, aber ich halte das für sehr unwahrscheinlich. Vor ihrem Tod hatte sie tagelang nichts gegessen. Ihr Magen war bis auf eine bräunliche Flüssigkeit komplett leer. «
» Klingt ganz danach, als sollte sie mit Nahrungsentzug schwach und gefügig gemacht werden « , schlussfolgerte Derwent. » Was meint Hanshaw dazu? «
» Er nimmt an, dass ihr Asthmaanfall durch Stress ausgelöst wurde. Angst, Schmerzen– das trägt dazu bei. Sie kann in Panik geraten sein, weil sie nicht richtig Luft bekam, und das könnte die Symptome noch verstärkt haben. Es muss auch nicht unbedingt in Anwesenheit des Entführers passiert sein. Durchaus möglich, dass der Entführer es gar nicht mitbekommen hat oder es ihm egal war, dass sie krank war, und dass er dann von ihrem Tod überrascht wurde. «
» Da hat er sich den ganzen Stress mit der Entführung gemacht, und dann stirbt sie ihm einfach weg. «
» Es reicht, Peter. « Godley schaute verärgert auf, und Derwent drehte sich ungehalten zu Belcott um.
» Ich versuch doch nur, die Stimmung ein bisschen aufzulockern « , verteidigte er sich und wirkte kein bisschen verlegen.
» Mach die Sache nicht noch schlimmer « , empfahl Maitland.
» Wenn ich mal eben unterbrechen dürfte, ich würde gern wieder auf den Bericht zurückkommen « , schaltete sich Godley frostig ein. » Die Todesursache ist nicht der einzige auffällige Aspekt. Glen hat einen Abstrich von Cheyennes Händen und Fingernägeln gemacht. Und dabei hat er große Mengen Speichel einer anderen Person gefunden. Beim Abgleich mit der DNA -Datenbank gab es einen Treffer, allerdings für eine Frau. «
» Dann arbeitet er also mit einer Partnerin zusammen « , mutmaßte Belcott. » So wie das Mörderpaar Hindley und Brady? «
» Wer ist denn die Frau? «
» Jetzt wird’s interessant. Es handelt sich um Patricia Farinelli, 29. Sie wurde 2003 in Cambridgeshire bei einer nicht genehmigten Demonstration gegen Tierversuche verhaftet. Bei der Gelegenheit hat man ihre DNA in die Datenbank aufgenommen, aber sie wurde anschließend straffrei entlassen. «
» Durchgeknallte Tierschützerin also « , kommentierte Maitland. » Aber das schließt ja Gewalt gegen Kinder nicht aus. «
» Sie hat bis vor anderthalb Jahren als Leiterin einer Kita gearbeitet, bis sie eines Tages nicht zur Arbeit erschienen ist. Bis heute nicht. «
Einen Moment lang herrschte Schweigen, bis ich fragte: » Dann gilt sie also ebenfalls als vermisst? «
» Das war wohl nicht seine erste Entführung « , sagte Derwent leise.
» Sieht ganz danach aus. Patricia hat in Stoke Newington gewohnt und hatte ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Als sie sich ein paar Tage nicht bei ihnen gemeldet hat, haben sie die Polizei alarmiert. Es gab zwar Ermittlungen, die haben aber nichts weiter gebracht. Der ermittelnde Kollege, ein gewisser DS Rai, hat heute Dienst, war aber gerade nicht erreichbar, als ich angerufen habe. Anscheinend wurde nicht eben mit Hochdruck nach ihr gesucht, doch dazu würde ich den Kollegen gern selbst befragen. Miss Farinelli galt offenbar nicht als besonders gefährdet. « Er drehte sich um und gab mir ein Blatt Papier. » Maeve, können Sie den zuständigen Kollegen bitte versuchen zu erreichen? Finden Sie heraus, was genau da abgelaufen ist. «
» Wird gemacht. «
» Moment mal, bitte. Sie ist vor anderthalb Jahren verschwunden, wurde seither nicht gesehen, und ihr Speichel klebt gerade
Weitere Kostenlose Bücher