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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Nee, das hab ich nicht nötig. «
    » Ganz schön selbstsicher, hm? «
    » So halbwegs. « Er stellte die Weinflasche neben dem Sofa ab. » Falls ich das nicht sein sollte, verschwinde ich lieber. «
    » Nein, geh nicht « , entfuhr es mir. Ich wollte einfach, dass er dablieb. Aber was auch immer ich mir als Nächstes erhofft hatte, es passierte nicht. Rob wechselte das Thema.
    » Wer wohnt denn außer diesem nerdigen Chris und der feschen Kindertante sonst noch hier? «
    » Oben, also gegenüber von Szuszanna und über Chris wohnt Walter Green alias mein Vermieter. Ihm gehören angeblich fünf Häuser hier in der Straße. «
    » Muss ja stinkreich sein. Was macht er dann in einer Zweizimmerwohnung? «
    Ich zuckte die Schultern. » Lebt halt allein. Für meine Begriffe ein komischer Kauz. Wahrscheinlich braucht er nicht viel Platz. « Ich hatte ihn beim Unterschreiben des Mietvertrags kurz kennen gelernt. Wahrscheinlich wäre er mir suspekt vorgekommen, wenn ich nicht von Berufs wegen ständig mit schrägen Gestalten zu tun hätte. Er hatte krause, angegraute Haare, eine Knollennase und lange weiße Hände, die wie mit Gewichten beschwert an ihm hinunterhingen. Ich hatte mich dabei ertappt, wie ich sie fasziniert anstarrte und mich zwingen musste, ihm ins Gesicht zu schauen. Aber eigentlich hätte ich mich gar nicht weiter bemühen müssen, denn Walter legte sowieso keinen gesteigerten Wert auf Blickkontakt. Ich hätte wetten können, dass er bei seiner Mutter gewohnt hatte, bis sie gestorben war. Die Häuser hatte er aus dem Vermögen der Familie finanziert, deren letzter Spross er war– genetische Endstation sozusagen. » Walter ist schon okay. Als Vermieter ziemlich locker, nur von Instandhaltung hält er nicht viel. «
    » Du ja auch nicht, von daher passt das wohl. « Es war offensichtlich, dass Rob das leicht schäbige Ambiente der Wohnung überhaupt nicht gefiel. Ich hatte ihn schon dabei ertappt, wie er an dem kaputten Rollo herumhantierte. Seine eigene Wohnung war zwar auch nicht übermäßig schick, aber zumindest hatte alles seinen Platz und funktionierte. Dieser Punkt ging ganz klar an ihn, dachte ich, trank noch einen Schluck Wein und ignorierte seine Bemerkung.
    » Ganz oben wohnt ein Schauspieler– Brody Lee. «
    » Ist er berühmt? Ein bekanntes Gesicht? «
    » Kann schon sein. Ich hab den Namen allerdings noch nie gehört, und außerdem ist er mir auch noch nicht über den Weg gelaufen. Also keine Ahnung. Walter hat erzählt, dass er irgendwo in Osteuropa eine Kinderserie dreht, die irgendwas mit König Artus oder so zu tun haben soll– ist kaum zu Hause. «
    » Das sind alle? «
    » Die ganze illustre Gesellschaft. «
    » Weiß jemand, womit du dein Geld verdienst? «
    Ich schüttelte den Kopf. » Ich hab so’n bisschen rumgeeiert, als ich bei Walter war. So nach dem Motto, dass ich manchmal auch ungewöhnliche Arbeitszeiten habe, aber er meinte nur, dass ich dann nicht mit der Haustür knallen soll. Wer weiß, was er denkt, womit ich mich so beschäftige, aber zumindest hat er nicht weiter nachgefragt. «
    » Hm, lass mal überlegen. « Rob legte die Stirn in Falten und musterte mich. » Attentäterin. Notfallklempnerin. Pilotin. «
    » Callcenter-Mitarbeiterin. Fisch-Ausnehmerin. Stripperin. Dealerin. «
    » Alles durchaus einträgliche Jobs. Und allemal weniger anrüchig als Polizistin. « Er stand auf. » Ich geh mir mal die Patina im Bad ansehen, da bin ich schon die ganze Zeit gespannt drauf. «
    » Durch den Flur und dann rechts. «
    Er verschwand und pfiff dabei vor sich hin. Ich hörte, wie er die Badezimmertür hinter sich zumachte, und hatte den Eindruck, dass er sich hier schon ganz wie zu Hause fühlte. Was ich von mir nicht behaupten konnte. Dazu machten mich die Geräusche im Haus noch viel zu nervös. Wenn man allein im Bett lag und nicht schlafen konnte, klang das leise Knacken und Knarzen des alten Gebälks hundertmal lauter, als es in Wirklichkeit war. Die Rohrleitungen gaben am frühen Morgen derart beängstigende Geräusche von sich, dass ich schon mehr als einmal aufgewacht war, weil ich dachte, irgendwo hätte jemand geschrien. Ohrstöpsel hätten vielleicht geholfen, aber ich mochte es nicht, mich komplett vor meiner Umgebung abzuschotten. Was auch nicht gerade verwunderlich war. Meine Skepsis hatte mir vor ein paar Monaten wahrscheinlich das Leben gerettet. Und wenn der Preis für meinen Selbsterhaltungstrieb ein bisschen verpasster Schlaf war, musste ich eben damit

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