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Der Ungnädige

Der Ungnädige

Titel: Der Ungnädige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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Fragen stellen darf, weil ein Disziplinarverfahren gegen sie anhängig ist. Maeve, fahren Sie los zu ihr. Befragen Sie sie– aber bitte mit Bedacht. Sie können ihr ruhig sagen, dass sie in Schwierigkeiten steckt, alles andere wäre ja gelogen, aber spielen Sie alles ein bisschen herunter. Rühren Sie an ihr Mitgefühl, erzählen Sie von Tremletts Kindern. Wir wissen nicht, warum sie dem Mörder geholfen hat, aber es ist klar, dass die Opfer nicht von allzu vielen beweint werden. Geben Sie den Toten ein Gesicht. Wir müssen die Frau motivieren, uns zu helfen. Und wenn sie sich schuldig fühlt, umso besser. «
    Ich nickte.
    » Peter, vielen Dank einstweilen. « In Godleys Tonfall lag etwas Abschließendes, das nicht nur ich wahrnahm.
    » Soll ich denn nicht mitfahren zu dieser Madame Banner? «
    Die Antwort war offenkundig nein. Godley lehnte sich zurück und wirkte plötzlich seltsam autoritär. » Für Sie gibt es hier genug zu tun. Zum Beispiel diese Liste zu erstellen. «
    » Ich komme schon allein mit ihr klar « , sagte ich, verstummte aber sofort bei Godleys finsterem Blick.
    » Darum geht es nicht. Es muss auf jeden Fall jemand mitkommen, denn für Sie wird es definitiv juristische Konsequenzen geben, und da müssen wir die Verteidigung im Blick behalten. Die würde nämlich sofort darauf anspringen, wenn sie mitbekäme, dass Sie mit der Frau vor ihrer Verhaftung informell gesprochen haben. Was wäre, wenn sie behaupten würde, dass Sie etwas Unangemessenes zu ihr gesagt haben? «
    » Würde ich doch nie tun. «
    » Natürlich nicht. Aber das allein hindert sie ja nicht daran, es zu behaupten. « Er sah an mir vorbei, warf ein prüfenden Rundumblick ins Büro und sagte dann: » Warum nehmen Sie nicht einfach Rob mit? Er ist bei solchen Sachen sehr umsichtig. «
    Tja, warum nehme ich nicht einfach Rob mit? Weil es mir katastrophal unangenehm wäre, Superintendent Godley.
    » Ich glaube, der hat noch zu tun. Er ist unterwegs, um in dem Tancredi-Fall ein paar offene Fragen zu klären. «
    » Ich schätze, diese Fragen sind inzwischen geklärt. Er sitzt dort an seinem Schreibtisch. «
    Natürlich. Und mir fiel keine Ausrede mehr ein, weshalb er nicht mitkommen sollte. Und so schlich ich betreten hinter dem gereizten Belcott aus dem Büro und wünschte mir beinahe, er hätte die Anweisung bekommen, mich zu begleiten. Aber nur beinahe. So peinlich die Aussichten auf ein Zusammentreffen mit Rob auch waren, sie erschienen mir immer noch erstrebenswerter als die mickrige, verschwitzte Alternative in Gestalt von Peter Belcott.
    Aber Rob war eben Rob und machte es mir leicht. Er strahlte schon längst wieder die für ihn typische unerschütterliche Ruhe aus, seine wie immer leicht amüsierte Zurückhaltung, die ihm gestern Abend so vollständig abhandengekommen und bei unserer Begegnung im Old Bailey immer noch leicht gedämpft gewesen war. Aber hätte er nicht diesen Bluterguss auf dem Handrücken gehabt, wären mir ernste Zweifel gekommen, ob sein Ausraster tatsächlich stattgefunden hatte. Höflich hörte er zu, als ich ihm leicht konfus darlegte, wo ich hinmusste und warum er mitkommen sollte oder vielmehr, weshalb Godley das angeordnet hatte, obwohl ich ihn ganz bestimmt nicht darum gebeten hatte, aber trotzdem froh war, dass er es einrichten konnte. Als mein Redefluss erschöpft war, nahm er seinen Schlüssel und stand auf.
    » Wenn du mich ans Lenkrad lässt, können wir fahren, wohin du willst. «
    » Geht klar. «
    » Können wir davon ausgehen, dass sie heute im Büro ist? «
    » Godley hat gerade dort angerufen. Die haben sie in einen Vernehmungsraum gesetzt, bis wir da sind. «
    » Weiß sie schon, warum? «
    » Vermutlich nicht. Obwohl man das ja nie so genau sagen kann. Vielleicht hat sie ein schlechtes Gewissen. Wenn man vertrauliche Informationen an einen Unbefugten weitergegeben hat, dürfte man schon eine Ahnung haben, weswegen man vernommen wird, schätze ich. «
    » Kann gut sein. «
    Der Gang zum Auto fühlte sich mehr oder weniger an wie immer. Vielleicht ein bisschen wie mit latenten Zahnschmerzen, bei denen man immer wieder mit der Zunge die betreffende Stelle befühlt, ob sie auch wirklich gerade keine Probleme macht. Ein einziger Blick in seine Richtung sagte mir jedoch, dass dem nicht so war. Als wir nebeneinander im Wagen saßen, war mir seine Präsenz überdeutlich bewusst. Ich achtete sehr darauf, ihm körperlich nicht zu nahe zu kommen und mir sehr genau zu überlegen, was ich sagte. Er

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