Der Unsichtbare Feind
dich also nicht zu schämen. Das passiert in Containern wie diesen.«
»Und wie?«
»Erst werden die Gene isoliert, die in den Gruppen von Langerhans-Zellen in der Bauspeicheldrüse für die Insulinproduktion zuständig sind –« Sie unterbrach sich selbst mit einem Lachen.
Gott, ich könnte mich wirklich an dieses Geräusch gewöhnen, dachte er, als Gefühle, die er über zwei Jahre weggesperrt hatte, sich vorsichtig aus ihrem Versteck hervortasteten.
»Entschuldigung. Diesen Teil brauche ich dir natürlich nicht zu erzählen. Wie auch immer, man benutzt die PCR-Technik, um große Mengen von diesem Gen herzustellen. Früher hat man das Ganze dann zu einer Suppe aus Escherichia coli hinzugegeben; das sind allerdings nicht die Kolibakterienstämme, die die Leute krank machen, sondern verwöhnte Labortierchen, die auf sich selbst gestellt in der Außenwelt keine sechzig Sekunden überleben könnten. Heutzutage nimmt man Hefezellen für diese Aufgabe. In beiden Fällen sorgt man dafür, dass die Insulin-Gene diese Organismen infizieren, der genetische Apparat der Mikroben liest dann die Gene, und ihre Mitochondrien fangen an, Insulin zu produzieren – und all das passiert, wie ich gesagt habe, in genau solchen Behältern.«
»Sie könnten also große Mengen von DNA herstellen, RNA, ganze Gene oder das, was diese Gene produzieren sollen. Mit anderen Worten, praktisch alles. Nur, ich glaube nicht, dass es Insulin ist.«
»Du hast es erfasst.«
»Verdammt! Ohne die Unterlagen werden wir nie herauskriegen, was sie vorhaben –«
Sie unterbrach ihn mit einem Rippenstoß und zeigte auf einen Arbeitstisch weit hinten auf einer Seite des Labors. Dort sah er Stapel von Akten, einen Videorekorder und mehrere Reihen von Videobändern.
Ja!, dachte er und war plötzlich in Hochstimmung. Sie würden also doch etwas bekommen.
»Aber warum haben sie die Sachen bloß alle da hingebracht?«, fragte sie. »Das ist ein kontaminierter Raum. Sie werden sie nie wieder dort rausholen können.«
»Sie müssen sie da hingeschafft haben, weil es sicherer ist. Wie könnte man sie besser unter der Decke halten? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass irgendjemand zufällig hier hineinmarschiert und einen Blick darauf wirft. Ich werde jedenfalls reingehen und nachsehen.« Er ging hinüber, nahm einen von den silbrigen Anzügen vom Haken und war überrascht, wie leicht und dünn sich das Material anfühlte.
»He! Du hast mir erzählt, dass du an einer Besichtigung im CDC teilgenommen hast, und nicht an einem Kursus, wie man in solchen Anzügen oder in einem Unterdrucklabor arbeitet.«
»Aber ich habe beobachtet, wie sie es tun. Zusehen, selber machen, unterrichten, sagen wir unseren Assistenzärzten. Außerdem hat der Wachmann Patton die Codes für alle Türen hier drinnen gegeben. Offensichtlich meinte er, dass wir Zugang haben sollten, wenn es nötig ist. Wie schwierig kann das schon sein?« Er setzte sich auf eine der Bänke und begann, in den Anzug zu steigen wie in einen einteiligen Skianzug.
Kathleen ging zu den drei Anzügen aus rotem Material hinüber. »Wozu sind die?«
»Ich weiß nicht. Solche habe ich noch nie gesehen. Es sieht so aus, als ob man sie nirgends anschließen kann.« Er hatte die Hosenbeine des Anzuges hochgezogen und die Taille an ihrem Platz zurechtgezurrt. »Aber ich weiß, wie diese funktionieren. Die liefern dem Träger nicht nur durch die Schläuche, die da von der Decke hängen, ein eigenes Luftsystem, sondern die einströmende Luft erzeugt im Innern des Anzugs auch einen ständigen Überdruck relativ zum Labor selbst. Dadurch wird sichergestellt, dass irgendwelche Moleküle, einschließlich Krankheitserreger, nicht vom Labor zu mir in den Anzug strömen können.« Er steckte seine Arme in die Ärmel und den Kopf in den Helm, und sofort bekam er ein Gefühl von Klaustrophobie, während sich seine Nase mit dem scharfen Geruch von Gummi, Kunststoff und abgestandenem Schweiß füllte. Während er gegen seinen Würgereiz kämpfte, schloss er mit Kathleens Hilfe einen Reißverschluss von seiner rechten Schulter bis zu seiner linken Hüfte. Dann zogen sie einen zweiten, darüber liegenden Reißverschluss zu, und er war fertig. In dem Anzug hörte er seinen Atem, das Sichtfenster beschlug, und ihm war viel zu warm. Verdammt, das ist wie in einem Plastikbeutel für Butterbrote, dachte er.
Er drehte sich um und begann, die Schubladen aufzuziehen. »Siehst du irgendetwas, das wie Klebeband aussieht?«, rief er
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