Der Unsichtbare Feind
gerechnet.
Das Gelände draußen war weitläufig, bedeckt mit gepflegten Rasenflächen und großen, immergrünen Büschen und einigen großen Nadelbäumen. Ein mit Steinplatten gepflasterter Weg wand sich durch diese verschiedenen lebenden Verzierungen, die das Gelände insgesamt wie einen gut gepflegten Park aussehen ließen, was einen der Journalisten bei der Ankunft zu der Bemerkung veranlasst hatte: »Biotech-Firmen geben immer ein Vermögen dafür aus, grün auszusehen.« Sie selbst hatte derweil nach einem Platz Ausschau gehalten, wo sie im Schutze der Dunkelheit unbemerkt im Gebüsch verschwinden konnte.
Sie fand diesen Platz und ging darauf zu. Sekunden später lag sie mit dem Gesicht nach unten tief im Geäst eines zweieinhalb Meter hohen und sieben Meter breiten Gewirrs von Zierkoniferen auf dem Boden.
Sie blieb bewegungslos liegen und lauschte, um sicherzugehen, dass sich keine Schritte der Wache am Tor näherten, die vielleicht gesehen hatte, wie sie sich ins Gebüsch duckte. Während sie wartete, stieg ihre Erregung bei der Aussicht, endlich in der Lage zu sein, handfeste Beweise zu bekommen. Sie wollte ihre Behauptung untermauern, dass nackte DNA-Vektoren gefährlich waren.
So sensationell sie auch alles hatte erscheinen lassen – sie hatte der Presse doch nichts mehr über die gegenwärtigen Methoden zur genetischen Manipulation von Organismen gegeben, was sie nicht auch im Internet hätten finden können. Sie müssten nur wissen, wo sie zu suchen hatten und wie man wissenschaftliche Arbeiten dechiffriert. Und während ihre ›Beweise‹ mögliche Wege vorschlugen, wie die Vektoren Umweltschäden verursachen oder für die menschliche Gesundheit gefährlich werden könnten, hatte Morgan in einem Punkte Recht – darauf zu bestehen, dass noch niemand einen direkten Beweis dafür geliefert hatte. Sie wusste nur zu gut, dass nichts außer vielleicht eine rauchende Waffe Menschen wie die Mr. Bob Morgans dieser Welt – »Gurus in der Finanzwelt, willige Nullen in der Wissenschaft«, murmelte sie durch ihre klappernden Zähne – würde aufhalten können. Und sie war gekommen, um genau das zu erreichen.
Weder die zusätzliche Schicht von wärmender Unterwäsche, die sie unter ihrem Hosenanzug trug, noch ihr schwarzes Ensemble aus langem Mantel, Skimütze und Handschuhen – die sie sowohl zum Wärmen als auch als Tarnung gewählt hatte – hielten die Kälte ab. Aber die Aussicht auf das, was sie vorhatte – Teile von Pflanzen abzuschneiden, die direkt um das Labor von Agrenomics herum wuchsen, ließ sie innerlich brennen. Deren DNA wollte sie anschließend auf Beweise für von Menschen konstruierte genetische Vektoren untersuchen. Wenn sie Erfolg hatte und die Vektoren vorhanden waren, würde sie beweisen können, dass sie, wenn sie erst einmal aus dem Labor entwichen waren, genau so ›infektiös‹ waren, wie sie und die anderen Wissenschaftler es befürchteten. Ein solches Ergebnis würde die ganze Sache ins Rollen bringen, die Anerkenntnis der Tatsache erzwingen, dass die unabsichtliche Kontamination tatsächlich eine Gefahr darstellte, und die Art von Sicherheitsmaßnahmen unabdingbar machen, für die sie immer gekämpft hatte. Obwohl viele ihrer Kollegen darüber diskutiert hatten, genau solche Analysen durchzuführen, waren offizielle Anfragen zu solchen Tests immer abgelehnt worden. Und soweit sie wusste, war es noch niemandem gelungen, dies ohne Erlaubnis zu tun. Sie würde die Erste sein.
Als keine Stiefelschritte auf dem Weg zu hören waren, nahm sie an, dass die Luft rein war, und machte sich unverzüglich an die Arbeit. Sie rollte sich auf den Rücken, zog eine Nagelschere aus ihrer Tasche und schnipselte kleine Zweige mit blauen Nadeln von den Ästen über ihrem Kopf ab. Dann schnitt sie kleine Proben vom Stamm und den Wurzeln am Boden. Die Letzteren könnten vielleicht Beweise dafür liefern, dass die Vektoren aus dem kontaminierten Boden aufgenommen wurden. Wenn sie andererseits Spuren fremder DNA nur in den Nadeln fände, würde dies die Annahme eines Mechanismus rechtfertigen, wonach die Vektoren Laub und Nadeln direkt durch die Luft infizierten. Sie ließ die beiden verschiedenen Arten von Proben in Glasröhrchen mit Stöpseln sinken, die bereits mit Mittlere Entfernung etikettiert waren. Sie hatte ein Dutzend der kleinen, sterilen Behälter an der Wache vorbeigeschmuggelt, die ihre Tasche inspiziert hatte, indem sie sie in einer Schachtel mit Tampons versteckt und darauf
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