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Der Unsichtbare Feind

Titel: Der Unsichtbare Feind Kostenlos Bücher Online Lesen
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hergestellt, um den dauerhaften Schaden zu minimieren, Richard, und Ihre Ejektionsfraktion, die ja alles entscheidet, ist fast normal geblieben. Sie haben sich ganz bestimmt den bestmöglichen Ort für einen Herzstillstand ausgesucht«, versicherte ihm der alte Mann.
    Ja klar, dachte Steele. Wie clever von mir.
    »Solch ein guter Verlauf ist natürlich das Ergebnis der Tatsache, dass wir so schnell bei Ihnen waren, was natürlich nur deshalb möglich war, weil Dr. Betty Clarke so auf Draht ist.«
    »Betty wer?«
    »Ihre Assistenzärztin, Mann! Diejenige, die Sie wiederbelebt und Ihr Leben gerettet hat.«
    Steele verbrachte den Rest des Tages damit, zwischen Erinnerungen und Träumen hin und her zu treiben, und alle drehten sich um Luana.
    Genau wie zu Hause, dachte er. Nur dass er nicht aufstehen und sich eine Zigarette holen oder sich einen der Schlummertrunke hinter die Binde gießen konnte, zu denen er seit ihrem Tod Zuflucht genommen hatte und die immer größer wurden. Stattdessen musste er hinter den Vorhängen dieser Abtrennung liegen und seinen Kummer ohne die üblichen Ablenkungen ertragen, bis ihm der Eindruck, eingeschlossen zu sein, das Gefühl vermittelte, zu ersticken, und sein Herz Sprintversuche machte und erneut alle Alarmsignale auslöste.
    Die Schwestern kamen herbeigeeilt und gaben ihm wieder Beruhigungsmittel, bis er sich an nichts mehr erinnerte, aber diesmal landete er in einem Albtraum. Er träumte, dass er ausgestreckt und angekettet war; er wurde ein Untersuchungsobjekt auf einem Objektträger, das sich unter dem gleißenden Licht irgendeines unbekannten Inquisitors wand, der es mit Fragen zu sezieren versuchte.
    Wirst du jetzt aufhören herumzurennen?
    Ich kann nicht.
    Ist dir nicht klar, dass du fast gestorben wärst?
    Natürlich.
    Deine Zeit könnte immer noch abgelaufen sein, und trotzdem machst du dir so wenig Gedanken um Chet?
    Er wachte schreiend auf und zog an seinen Infusionsschläuchen, während er aus dem Bett zu kommen versuchte.
    Als sie die Gurte hervorzogen und ihn am Bett zu fixieren drohten, beschloss er, einfach wach zu bleiben. Er saß da, unfähig, seinen Gedanken zu entfliehen, und zum ersten Mal in seinem Leben spürte er, dass es für ihn vielleicht nie wieder ein Morgen geben würde. »Arzt, hilf dir selbst«, murmelte er nervös, entschlossen, Bilanz zu ziehen, obwohl er bereits seit langem den Glauben an die Kraft der Selbstbetrachtung verloren hatte. Immerhin hatte er als Arzt von Anfang an begriffen, was mit ihm los war, seit Luana gestorben war. Verlängerte Trauerreaktion war die offizielle Diagnose, nur dass es ihm in den letzten 18 Monaten nicht geholfen hatte, ihrer Umklammerung zu entkommen, dass er ihr einen Namen gab und über sie gelesen hatte. Selbst als er durch professionelle Beratung begriff, dass nicht so sehr der Schmerz die Wurzel seines Problems war, sondern vielmehr ›eine anhaltende, von Panik besetzte Obsession, dem Trauerprozess insgesamt zu entgehen‹, verfeinerte er nur seine Vermeidungsstrategien. Seine größte Ablenkung waren zusätzliche Schichten in der Notaufnahme gewesen. Dann, während er versuchte, sich selbst vorzumachen, dass er das Problem vertuschte und niemand es bemerken würde, erklärte er sich selbst für geheilt und brach die Therapie ab.
    Natürlich wusste der Arzt in ihm es auch weiterhin besser. Er wusste, dass er sich auf eine dumme Strategie eingelassen hatte – › die nur dazu dient, das Leid des Patienten zu verlängern, indem sie ihn für immer in jenem Schmerz gefangen hält, vor dem er flieht‹, so bestätigten es ihm die Lehrbücher. Aber wie ein Junkie, der vor den Schrecken des Entzuges flieht, konnte er nicht aufhören. Als Ergebnis beraubte er seine Arbeit der Freude, die sie ihm früher bereitet hatte, und verwandelte sie stattdessen in eine die Sinne betäubende Qual, die ihn völlig erschöpfte und am Ende des Tages kaum noch etwas fühlen ließ – jedenfalls nichts, was er nicht mit einem großen Glas Scotch oder einem Dutzend Zigaretten verjagen konnte. Als ihn eines Morgens eine Schwester beiseite nahm und ihm riet, sich helfen zu lassen – wobei sie ihn darauf aufmerksam machte, dass sie den Alkohol in seinem Atem riechen konnte, wenn er morgens zur Arbeit kam –, wechselte er zu Wodka, der weniger leicht zu bemerken war.
    Nicht dass er sich jemals völlig betrunken hatte. Sein Alkoholkonsum ging auch niemals auf Kosten der Sicherheit eines Patienten, Gott sei Dank. Aber durch all das

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