Der Untergang
Art rettender Stern aufgeleuchtet war.
Nach Steiner wurde nicht mehr gefragt. Hitler verlangte lediglich, den SS-Obergruppenführer auf der Stelle abzulösen und durch Generalleutnant Holste zu ersetzen. Doch sein Wort reichte nicht mehr bis in den Raum Eberswalde:
Steiner überredete Holste, ihm, Anweisung hin oder her, weiterhin das Kommando zu überlassen. In der Frühe des 28. April drängte Krebs noch ungeduldiger. Er teilte Keitel mit: »Der Führer erwartet schnellste Hilfe; es sind nur noch höchstens achtundvierzig Stunden Zeit. Wenn bis dahin keine Hilfe kommt, ist es zu spät! Das läßt der Führer nochmals sagen!!!«
SS-Obergruppenführer Felix Steiner, der nordöstlich von Berlin bei
Eberswalde einen Verband aufstellen sollte, von dem Hitler sich einen »mit aller Wucht« geführten Gegenstoß gegen die sowjetischen Flanken erwartete.
Aber die vielberedete »Gruppe Steiner« existierte überhaupt nicht.
Um der Forderung des Bunkers Nachdruck zu verleihen, begab sich Keitel zu einer persönlichen Unterredung mit General Heinrici, der, entgegen den ergangenen Befehlen, den Rückzug der Panzerarmee General von Manteuffels angeordnet hatte. Das Treffen fand an einer Straßenkreuzung südlich von Neubrandenburg statt. Sie war nach allen Richtungen von endlosen Flüchtlingstrecks verstopft, die erschöpft und verhärmt in irgendein Nirgendwo zogen. Heinrici war zusammen mit Manteuffel erschienen, doch noch ehe sie sich richtig begrüßt hatten, fuhr Keitel die beiden Offiziere an, wie sie zu ihren Eigenmächtigkeiten kämen. Befohlen worden sei ihnen, an der Oder stehenzubleiben, keinen Schritt zurückzuweichen und die Front mit allen Mitteln zu halten. Während er zu jedem seiner Worte mit dem Marschallstab in die offene Hand schlug, versuchte Heinrici, ihm die Lage zu erklären und daß er mit den Truppen, die er zur Verfügung habe, die Oderfront nicht länger halten könne. Er denke nicht daran, seine Soldaten in ein ganz und gar aussichtsloses Feuer zu schicken. Zudem benötige er frische Verbände, sonst werde er noch weitere Rückzugsbefehle erteilen müssen.
Keitel fuchtelte weiterhin mit dem Marschallstab herum. Heinrici, sagte er scharf, solle nicht auf neue Kräfte zählen, sondern angreifen. So laute der Befehl des Führers, so habe er es auszuführen. Als Heinrici erwiderte, von ihm werde General Manteuffel einen derartigen Befehl nicht erhalten, starrte Keitel Manteuffel an, der aber nur knapp und vielsagend erklärte: »Herr Generalfeldmarschall, die 3. Panzerarmee hört auf General von Manteuffel.« Erregt schrie Keitel zurück: Wenn die Truppe ihre Stellungen nicht hält, solle man dazwischenschießen. Dann werde die Armee auch stehen!
Der Zufall wollte es, daß in diesem Augenblick ein Fuhrwerk
vorüberkam, auf dem zwei völlig entkräftete Luftwaffensoldaten saßen. Heinrici befahl sie heran und sagte dann zu Keitel: »Hier haben Sie Gelegenheit, Herr Generalfeldmarschall, ein Exempel zu statuieren! Erschießen Sie diese Männer!« Verlegen stotterte Keitel etwas von »Festnehmen!« sowie »Kriegsgericht!« und fuhr davon.
Spätestens bei diesem Treffen trat hervor, wie weit Heinrici sich aus der Irrwelt der Führerbefehle entfernt hatte und daß er Ziele verfolgte, die allein noch auf die Rettung der Trümmer seiner Heeresgruppe sowie die Schonung der Zivilbevölkerung gerichtet waren. Als es am folgenden Morgen noch einmal zu einem Telefongespräch mit Keitel kam und Heinrici von der Verantwortung sprach, die er für die Truppe trage, wurde er zurechtgewiesen: »Sie haben keine Verantwortung zu tragen«, sagte Keitel, »sondern Befehle auszuführen!« Der General erwiderte, unter diesen Umständen müsse er den Generalfeldmarschall davon in Kenntnis setzen, daß er sein Kommando niederlege. Einen Augenblick lang herrschte am anderen Ende verlegene Stille. Dann sagte Keitel: »Herr Generaloberst Heinrici, aufgrund der mir vom Führer verliehenen Vollmachten enthebe ich Sie augenblicklich des Kommandos über die Heeresgruppe Weichsel. Halten Sie sich auf ihrem Gefechtsstand zur Verfügung!«
Auch im Bunker zerbrachen mehr und mehr die verbliebenen Hoffnungsreste. Am Abend des z8. April, als das Gerücht die Runde machte, daß die Russen bereits den Anfang der Wilhelmstraße erreicht hätten und blutige Kämpfe am Potsdamer Platz im Gange seien, traf eine Nachricht ein, die in Andeutungen schon während des gesamten Tages für Aufregung gesorgt hatte,
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