Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)
Ausdruck in Chrenars Gesicht sah.
»Das war keine Bitte, Wächter!« Seine Stimme war schneidend kalt und voller Verachtung.
Orcard schluckte die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, herunter. »Wie Ihr wünscht, Chrenar!«, entgegnete er knapp. »Die Mauer wird heute Abend wieder stehen. Bis dahin vertrauen wir auf den Schutz Thuraans.«
Der Priester nickte. »Gut! Und was Eurer Ansinnen nach einem Gespräch angeht – ich erwarte Euch heute Abend!«
Er machte Anstalten zu gehen, schaute sich jedoch noch einmal demonstrativ um. »Und kümmert Euch endlich um diese Leichen – ich will sie nicht mehr sehen!«
Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand mitsamt den Priestern, die in seinem Gefolge gekommen waren, wieder hinter den Häusern am Stadtrand.
Orcard schaute ihm hinterher, voller kalter, nur mühsam unterdrückter Wut. Er musste vorsichtig sein, denn Chrenar war ein mächtiger Mann, den man nicht zum Feind haben wollte. Er war die Stimme der Götter in Boram, und damit fast unumstrittener Herrscher. Dennoch hasste er ihn dafür, kein Wort des Trosts für die Toten gefunden zu haben. Fast hätte man den Eindruck haben können, als wäre ihm der Zwischenfall ihm sogar willkommen.
Er war sich sogar sicher, dass der Priester die Schuld an diesem Angriff den Wächtern geben würde. Dabei musste doch allen klar sein, dass niemand die Dunklen besiegen konnte. Nein, dachte er. Vielleicht steckte etwas ganz anderes dahinter, denn es war doch völlig unbegreiflich, dass die Dunklen nicht weiter in die Stadt eingedrungen waren, sich stattdessen mit den Ackerfeldern zufrieden gegeben hatten. Ein ungeheurer Verdacht wuchs in ihm; ein Verdacht, den er lieber nicht weiter verfolgen wollte, denn er konnte ihm nichts Gutes einbringen.
Wütend straffte Orcard sich und rief seinen Männern neue Befehle zu. Sie mussten sich eilen, den Befehlen des Priesters nachzukommen, nur das war im Augenblick wichtig. Mehr Männer mussten her, um das schaffen zu können.
***
Czenon hatte das Treffen zwischen Orcard und Chrenar aus der Ferne mit angesehen. Er war sofort hierher geeilt, als er von dem Angriff gehört hatte; es war, als würde ihn etwas zwingen, sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass es tatsächlich geschehen war.
Sein Blick lag lange auf den Toten, die jetzt nach und nach von den Wächtern zusammengetragen und fortgeschafft wurden. Er sah die leeren Blicke der Männer, die er nicht darum beneidete, sich um die Toten kümmern zu müssen. An den Wunden der Opfer sah er, dass der Angriff tatsächlich durch die Dunklen geführt worden war, denn er als einer der wenigen – oder vielleicht sogar der einzige in ganz Boram – wusste, wie die Dunklen ihre Gegner verstümmelten. Er hatte es früher bereits mit eigenen Augen mit ansehen müssen; damals, in einem anderen Leben, weit entfernt von Boram.
Er begriff auch was es bedeutete, dass der Nebel nicht durch den Mauerbruch hindurch wallte, sondern draußen verharrte, als würde etwas Unsichtbares ihn zurückhalten. Er lachte kalt. Tatsächlich gab es etwas, dass den Nebel zurückhielt – Thuraans Macht.
Er wusste, dass sie in den Mauern steckte, dass sie allein die Stadt wirklich zu schützen in der Lage war. Die Wächter dienten nur zur Beruhigung der Menschen, aber eine wirkliche Schutzfunktion hatten sie nicht, konnten sie nie haben.
Und ihm war auch klar, dass der Angriff kein Zufall gewesen sein konnte, denn ein Gott machte keine Fehler. Alles, was hier geschehen war, beruhte auf dem Willen Thuraans, es konnte gar nicht anders sein. Ihn schüttelte es bei diesem Gedanken, denn etwas sagte ihm, dass dieser Vorfall nur der Beginn von etwas viel Schlimmeren war.
Er spürte, wie die Vergangenheit wieder zur Wirklichkeit wurde und seinen Kopf erfüllte, als würde er alles erneut erleben. Er stützte sich gegen eine Wand und ließ sich zu Boden sinken, dann konnte er sich nicht mehr gegen den Ansturm der Bilder wehren.
» Wir müssen es wagen! « , sagte ihr Anführer, und seine Stimme vibrierte voller Überzeugung. » Jetzt - oder es wird für immer zu spät sein! «
» Es ist viel zu gefährlich! « , erwiderte Czenon heftig. » Niemand kann diese Macht kontrollieren. Niemand! «
»Aber sie wurde uns von den Göttern selber gegeben! «
» Von den Alten Göttern « , korrigierte Czenon. » Warum müssen wir ihren Kampf führen? Wenn sie wirklich Götter sind – sollten sie dann nicht viel mächtiger sein als wir? «
Der Anführer
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