Der Untergang der Götter - Die Verbotenen Wege (German Edition)
Eneas' Stimme ertönte, drehten sich alle abrupt zu ihm um und starrten ihn an, als wäre er aus dem Reich der Toten zurückgekehrt.
»Eneas!« Mela schrie seinen Namen und stürzte an seine Brust.
Eneas wusste nicht, wie er reagieren sollte. Seine Hände schienen für einen Augenblick Mela berühren zu wollen, doch dann verharrten sie einige Zentimeter weit von ihr entfernt. Mela machte sich wieder von ihm los und starrte in sein Gesicht.
»Du bist verletzt!«
Eneas rieb sich mit der Hand über die Wangen, die noch immer die Spuren des Kampfes mit dem Häscher zeigten. »Es ist nichts, Mela.«
»Was ist mit dem Häscher?«, wollte Orcard wissen, der ebenfalls einen prüfenden Blick über Eneas geworfen hatte, jedoch kein Wort über sein Aussehen verlor. Er wusste wie ein Mann aussah, der einen schweren Kampf hinter sich hatte.
»Hast du ihn wirklich gefunden, oder ist er doch nur eine Erfindung?«, fragte Hendran böse, obwohl das Äußere von Eneas Bände sprach.
Eneas würdigte ihn keines Blickes. »Ich bin auf ihn gestoßen. Ich konnte ihn nicht besiegen, aber er ist zumindest eine Zeit lang aufgehalten. Doch wir müssen weiter. Rasch.«
»Aber du brauchst Ruhe!«, wandte Mela ein, die sorgenvoll sein Gesicht musterte.
Eneas schüttelte den Kopf und deutete nach vorne. »Wir sind bereits auf dem großen Plateau. Es ist nicht mehr weit.«
»Weit wohin?«, rief Hendran. »Was ist eigentlich dein Ziel?«
Doch Eneas ignorierte ihn immer noch. »Gehen wir!«
Er setzte sich in Bewegung und notgedrungen mussten ihm die übrigen folgen, denn niemand wollte hier mitten im Nichts zurückbleiben, ohne Führung und ohne Hoffnung. Mit dem Wissen, dass irgendwo dort draußen der Häscher auf der Suche nach ihnen war.
Orcard gesellte sich neben ihn. »Ich weiß nicht, ob ich richtig gegangen bin. Es gibt hier einfach keine Orientierungsmöglichkeit.« Er klang verbittert.
»Du hast gut geführt«, sagte Eneas leise. »In den kresh kallaan ist es nicht wichtig, wohin man geht. Es ist entscheidend, dass man geht!«
Orcard schaute ihn von der Seite an. »Das verstehe ich nicht.«
Seit langer Zeit war es das erste Mal, dass Eneas wieder lächelte: »Die kresh kallaan kann kein Mensch jemals verstehen. Man kann auf Hindernisse stoßen, die beim nächsten Mal nicht mehr da sind. Die Alten Götter haben diese Wege erschaffen, nur sie begreifen sie völlig.«
»Ein schwacher Trost.«
Eneas legte seine Hand auf Orcards Schulter. »Du machst dir noch immer Vorwürfe wegen Lal?«
Orcard nickte unmerklich. »Ich hätte sie halten können. Ich hätte sie halten müssen !«
»Nicht alle werden die kresh kallaan lebend verlassen. Daran kannst weder du noch ich etwas ändern.«
Orcard schaute Eneas von der Seite her an. »Du weißt mehr als du uns sagst.«
»Ich weiß nur das, was ich wissen muss, Orcard.«
»Aber du kämpft für die ... Alten Götter!« Nur schwer kam dem Wächter der Name der ehemaligen Herrscher über die Lippen.
»Das bedeutet nicht«, entgegnete Eneas mit bitterer Stimme, »dass ich alles weiß. Letztlich sind wir alle nur Figuren in einem Spiel, das wir nicht begreifen.«
»Das klingt für mich so«, fuhr Orcard vorsichtig fort, »als hättest du Zweifel an dem, was du tust.«
»Zweifel?« Eneas lächelte, doch es war keine Freude darin.
»Ich wünsche mir mehr als alles andere den Untergang der Serapen, eurer Neuen Götter. Und ich werde alles dafür tun, dieses Ziel zu erreichen.«
»Und was ist mit all den Menschen, die dabei gestorben sind – und vielleicht noch sterben werden?«
Orcards Frage traf Eneas hart und er antwortete nicht. Schon so oft hatte er sich diese Frage selber gestellt, aber seine Antwort war immer die gleiche: die Opfer, die gebracht werden mussten, durften ihn nicht kümmern. So wie es der alte Mann immer sagte. Rücksicht war etwas, über das er nicht verfügte, auch wenn er das vielleicht gewollt hätte.
Orcard interpretierte Eneas' Schweigen so, dass er vielleicht zu weit gegangen war. Aber ihm war dadurch auch klar geworden, dass Eneas letztlich sie alle opfern würde, wenn es erforderlich sein sollte. Etwas in seinem Innersten zog sich zusammen und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Er konnte und würde es nicht soweit kommen lassen.
Eneas wusste, was im Kopf des Wächters vorging, und er konnte ihn nur zu gut verstehen. Er musste das Beryllyion in seinen Besitz bringen! Unter allen Umständen! Dann würde er vielleicht stark genug sein, Leben zu retten
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