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Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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hatte zwar die Steine um die Kaaba zertrümmert, die Götzenbilder im Kopf der Araber konnte er allerdings nie zerstören.
    Aus dem sensiblen, philosophierenden Einsiedler in einer Höhle in Mekka war ein mächtiger Stammesführer geworden, der alle Widersprüche eines orientalischen Mannes verkörperte und das Gottesbild des Islam prägte. Ein erhabener, unberechenbarer und wütender, zugleich aber auch gütiger und barmherziger Gott. Ein Gott, der immer diktiert und nie verhandelt, sich aber bald von seiner großzügigen Seite zeigt. Er bestraft Abtrünnige mit Höllenqualen, richtet über Leben und Tod, darf aber selber nicht in Frage gestellt werden. Ein machtbesessener, eifersüchtiger Gott, der keine Götter neben sich duldet und für seine Macht über Leichen geht. Wenn man sich die Herrscher in der islamischen Welt heute anschaut, entdeckt man erstaunliche Parallelen. Alle beziehen sich auf den Allmächtigen und lassen ihre Macht durch ihn segnen. Alle erwarten wie er absolute Loyalität und vernichten jeden, der ihre Macht in Frage stellt.
    Ein Vergleich zwischen der Hiobsgeschichte im Koran und der Bibel zeigt auch die unterschiedlichen Gottesbilder. Während der biblische Hiob mit Gott über sein Schicksal hadert und sogar Gott als Tyrannen bezeichnet, der über das Ganze herrscht, erduldet er im Koran ein Unheil nach dem anderen, weil er auf Gott und seine Gnade vertraut. Für seine Geduld und Demut wird er am Ende mit der Heilung belohnt. Überhaupt ist die Tradition des Haderns mit Gott im Mainstream-Islam sehr verpönt: »Ihr, die ihr glaubt, stellt keine Fragen, dessen Antworten euch kränken würden, solltet ihr sie bekommen«, steht im Koran. Im Gegensatz zu den griechischen und nördlichen Mythologien, wo Titanen das Feuer von den Göttern stehlen, um sich zu verwirklichen, oder Giganten gegen sie kämpfen und ihnen ihre Macht streitig machen, darf es im Islam zu dieser Auseinandersetzung nicht kommen. In den Tempeln Japans werden die Götter von den Menschen durch eine Glocke erweckt. Ohne Menschen gäbe es keine Götter. Hier geht die Initiative nicht von den Göttern aus, wie es bei den monotheistischen Religionen der Fall ist, sondern der Mensch sucht den Weg zu ihnen und bestimmt, wann sich diese Wege wieder trennen. Wenn der Japaner den Tempel verlässt, verfolgen ihn diese Götter nicht mit Geboten und Verboten. Der Mensch bringt die Götter zum Leben, nicht umgekehrt.
    Der germanische Gott Odin hat nur ein Auge und ist ständig auf der Suche nach Wissen. Er opfert sich für die Menschen, nicht umgekehrt, und hängt sich, vom eigenen Speer verwundet, neun Tage und Nächte an den Lebensbaum Yaggdrasil, um Wissen zu erlangen. Allah dagegen ist nicht von dieser Welt, ist weise und allwissend und sieht alles, und selbst wenn der Mensch ein schweres Schicksal erleidet, dann hat das einen Sinn. Er wird als der Hersteller des Menschen gesehen, der weiß, wie er funktioniert, deshalb ist er auch der Einzige, der ihm Handlungsanweisungen vorschreiben kann.
    Mohamed starb und hinterließ den Muslimen den Koran und Zigtausende Hadithe, die Anweisungen für alle Lebensbereiche enthielten, sogar darüber, wie ein Muslim sich gottgefällig auf der Toilette benehmen sollte. Doch was er vergessen hatte, war, ihnen mitzuteilen, wer die Herrschaft nach ihm übernehmen solle und welche Legitimation er für die Macht benötige. Dies führte wenige Jahre nach seinem Tod zu einer heftigen Auseinandersetzung und zu Bürgerkriegen unter Muslimen, die mit der Spaltung der Gemeinde in Schia und Sunna endete.
    Unter dem traumatischen Eindruck dieser Spaltung ist der sunnitische Islam paranoid geworden und entwickelte eine herrscherfreundliche Ideologie, um Bürgerkriege in der Zukunft zu vermeiden. Diese Ideologie ging so weit, es als Pflicht jedes Muslims vorzuschreiben, dem Herrscher gehorsam zu sein, egal ob er unmoralisch oder ungerecht ist. Langsam entwickelte sich das Konzept von
hakimiyyatu
-
llah
oder der »Herrschaft Gottes«. Die Idee war nicht nur, dass Gott der Einzige ist, der dem Herrscher die Macht verleihen oder entziehen kann, sondern dass er durch den Herrscher auf Erden regiert. Somit wäre der Monarch der Schatten Gottes auf Erden und der Vollstrecker seines Willens; eine Idee, die den vorislamischen Persern und Ägyptern, die nun zum Islam konvertiert waren, auch bekannt war. Dies mündete bei den Schiiten ins Konzept des Imams und bei den Sunniten zu der Idee des Herrschers von Gottes Gnaden.

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