Der Unterhändler
Für die am Grosvenor Square hörte es sich an, als hätte ein schlafender Mann seine Position verändert, sich auf die andere Seite gedreht und weitergeschlummert. Der Techniker und die beiden FBI -Männer warfen einen kurzen Blick auf das Steuerpult und spielten weiter Karten.
Zack rief um 9.30 Uhr an. Er wirkte schroffer und feindseliger als am Vortag – ein Mann, dessen Nerven allmählich strapaziert wurden, der immer mehr unter Druck geriet und beschlossen hatte, nun selbst Druck auszuüben.
»All right, du Scheißkerl, jetzt hör mal gut zu. Kein Süßholzgeraspel mehr. Ich hab’ genug davon. Ich bin mit deinen läppischen zwei Millionen Dollar einverstanden, aber damit hat es sich. Noch eine einzige Forderung von dir, und ich schick’ dir ein paar Finger – nehm’ mir die rechte Hand des Bürschchens mit einem Hammer und einem Meißel vor – mal sehn, ob du danach in Washington noch beliebt bist …«
»Zack, bleib ruhig«, redete Quinn in ernstem Ton auf ihn ein. »Du hast doch gewonnen. Gestern abend hab’ ich hinübertelefoniert, sie sollen auf zwei Millionen geh’n, sonst steig’ ich aus. Mein Gott, glaubst du, du bist der einzige, der müde ist? Ich tu’ überhaupt kein Auge zu, für den Fall, daß du anrufst …«
Der Gedanke, daß die Nerven eines anderen noch mehr verschlissen waren als seine eigenen, schien Zack etwas zu beschwichtigen.
»Noch was«, sagte er. »Kein Geld! Kein Bargeld, Ihr Dreckskerle würdet versuchen, in den Koffer eine Wanze zu setzen. So wird’s …«
Er redete noch zehn Sekunden weiter und hängte dann ein. Quinn machte sich keine Notizen. Es war nicht nötig, das Band lief mit. Der Anruf war zu einer Gruppe von drei öffentlichen Telefonzellen in Saffron Walden zurückverfolgt worden, einem Marktflecken im westlichen Essex, gleich neben dem Motorway M u von London nach Cambridge. Drei Minuten später schlenderte ein Polizeibeamter in Zivil an den Telefonhäuschen vorbei, aber alle drei waren leer. Der Anrufer hatte sich in der Menge der Passanten verloren.
Zu dieser Zeit saß Andy Laing gerade im Kasino der SAIB -Niederlassung in Dschiddah beim Mittagessen. Er aß mit seinem pakistanischen Freund und Kollegen Mr. Amin, dem Operations-Manager.
»Ich stehe vor einem Rätsel, mein Freund«, sagte der junge Pakistani. »Was geht da eigentlich vor?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Laing, »klären Sie mich auf.«
»Sie wissen doch – der Postsack, der täglich von hier nach London abgeht? Ich habe einen dringenden Brief mit einigen beigelegten Dokumenten nach London abgeschickt und muß rasch Antwort darauf haben. Wann werde ich die bekommen, frage ich mich. Warum ist sie noch nicht da? Ich habe bei der Postabteilung nachgefragt, warum sie noch nicht gekommen ist, und etwas sehr Sonderbares zu hören bekommen.«
Laing legte Gabel und Messer weg. »Und was, alter Freund?«
»Die Leute sagen, daß alle Post mit Verzögerung abgeht. Sämtliche Päckchen von hier nach London werden nach Riad umgeleitet und gehen erst einen Tag später von dort weiter.«
Laing war der Appetit vergangen. Was er in seiner Magengrube verspürte, war kein Hungergefühl.
»Wie lange, sagen Sie, geht das schon so?«
»Seit einer Woche, glaube ich.«
Laing verließ das Kasino und ging in sein Büro. Auf seinem Schreibtisch lag eine Nachricht vom Chef der Niederlassung, Mr. Al-Haroun: Mr. Pyle möchte Mr. Laing unverzüglich in Riad sprechen.
Er nahm die Mittagsmaschine der Saudia. Als er im Flugzeug saß, packte ihn Zorn auf sich selber. Hinterher weiß man alles besser – wenn er sein Päckchen nur mit der normalen Post nach London geschickt hätte. Er hatte es an den Leiter der Revisionsabteilung persönlich adressiert, und eine derart adressierte Sendung mit seiner charakteristischen Handschrift mußte einfach auffallen, wenn die Briefe auf Steve Pyles Schreibtisch ausgebreitet wurden. Kurz nachdem die Bank ihre Pforten für den Publikumsverkehr geschlossen hatte, wurde er in die Direktionsräume geführt.
Nigel Cramer schaute um die Mittagsstunde Londoner Zeit in der Wohnung in Kensington vorbei.
»Sie haben die Freilassung für zwei Millionen Dollar ausgehandelt«, sagte er. Quinn nickte.
»Gratulation«, sagte Cramer. »Dreizehn Tage ist nicht viel für so ein Geschäft. Übrigens, der Psychoklempner unter meiner Fuchtel hat sich den Anruf heute morgen mit angehört. Er ist der Meinung, der Mann meint es ernst, steht unter einem enormen Druck, die Sache
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