Der Unterhändler
abgesegnet, aber verdammt – Sie kennen doch diese Leute. Angenommen, er macht einen Rückzieher, behauptet, er wüßte nichts davon … Sie wissen, die sind zu so etwas imstande. Verstehen Sie, ich möchte damit sagen, vielleicht sollten Sie dieses Geld zurückerstatten und versuchen, die Mittel irgendwo anders aufzutreiben …«
Easterhouse starrte mit seinen hellblauen Augen unverwandt hinaus auf die Wüste. Die Geschichte ist noch schlimmer, mein Freund, dachte er. Es gibt keine Mitwisserschaft Prinz Abduls, kein Einverständnis des königlichen Hauses. Und die Hälfte des Geldes ist weg, ausgegeben für die Finanzierung eines Putsches, der demnächst Ordnung und Disziplin – seine Ordnung und Disziplin – in das wirtschaftliche Chaos und in die labilen politischen Strukturen des gesamten Nahen Ostens bringen soll. Das Haus Saud freilich würde es wohl nicht so sehen und das Washingtoner Außenministerium vermutlich auch nicht.
»Regen Sie sich nicht auf, Steve«, sagt er beruhigend. »Sie wissen doch, wen ich hier repräsentiere. Ich versichere Ihnen, die Sache wird bereinigt werden.«
Pyle begleitete ihn an die Tür, war aber nicht beruhigt. Selbst die CIA , sagte er sich zu spät, baut manchmal Mist. Hätte er mehr Wissen besessen und weniger Fiction-Literatur gelesen, wäre ihm klar gewesen, daß ein hochgestellter CIA -Mann nicht den Rang eines Obersten haben kann, Langley nimmt keine ehemaligen Armeeoffiziere. Aber er wußte es nicht. Er machte sich nur große Sorgen.
Auf dem Weg nach unten kam Easterhouse zu dem Schluß, daß es angebracht wäre, zu Konsultationen in die Staaten zu fliegen. Die Zeit dafür war ohnehin gekommen. Alles war vorbereitet, tickte geduldig vor sich hin wie eine Zeitbombe. Er war sogar seiner Planung voraus und seinen Gönnern einen Situationsbericht schuldig. Bei dieser Gelegenheit wollte er Andy Laing erwähnen. Der Mann ließ sich doch bestimmt kaufen und dazu bringen, sich still zu verhalten, zumindest bis zum April. Er hatte keine Ahnung, wie sehr er sich irrte.
»Dieter, Sie stehen in meiner Schuld und jetzt präsentiere ich Ihnen den Schuldschein.«
Quinn saß mit seinem Kontaktmann in einem Lokal zwei Straßen von dessen Arbeitsplatz entfernt. Sein Bekannter sah besorgt drein.
»Versuchen Sie doch bitte zu verstehen, Quinn. Es geht hier nicht um die Vorschriften in unserem Haus. Es ist gesetzlich untersagt, Nichtangestellten Zugang zu unserem Archiv zu gewähren.«
Dieter Lutz war zehn Jahre jünger als Quinn, aber materiell ungleich besser dran. Er konnte sich im Glanz seiner höchst erfolgreichen Karriere sonnen. Er war, genauer gesagt, einer der Chefreporter des SPIEGEL , des größten und angesehensten Nachrichtenmagazins der Bundesrepublik.
Es war nicht immer so gewesen. Früher hatte Lutz als freischaffender Journalist gearbeitet, der sich damit über die Runden brachte, daß er sich bemühte, der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein, wenn es darum ging, einen Knüller an Land zu ziehen. Damals hatte ein Entführungsfall Tag für Tag die Schlagzeilen der deutschen Presse beherrscht. Als die Unterhandlungen mit den Kidnappern an ihren heikelsten Punkt gelangt waren, hatte er unabsichtlich eine Information an die Zeitungen preisgegeben, die den Deal beinahe zum Platzen gebracht hätte.
Die Verantwortlichen bei den Polizeibehörden hatten Ermittlungen aufgenommen, um den Schuldigen aufzuspüren. Das Entführungsopfer war ein Großindustrieller, Wohltäter einer politischen Partei, und Bonn hatte große Hoffnungen auf die Polizei gesetzt. Quinn hatte gewußt, wer schuld an dem Leck war, aber geschwiegen. Der Schaden war nun einmal geschehen, mußte repariert werden, und die Sache wurde dadurch nicht besser, daß man einem jungen Reporter mit zuviel Begeisterung und zu wenig Vorsicht die Karriere verdarb.
»Ich muß ja nicht einbrechen«, sagte Quinn geduldig. »Sie gehören der Redaktion an. Sie haben das Recht, sich das Material zu besorgen, wenn es vorhanden ist.«
Das SPIEGEL -Gebäude hat die Adresse Brandstwiete Nr. 19, eine kurze Straße zwischen dem Dovenfleet-Kanal und der Ost-West-Straße. Unter dem elfgeschossigen modernen Hochhaus schlummert das größte Zeitungsarchiv in Europa. Mehr als achtzehn Millionen Dokumente sind hier eingelagert. Die Computerspeicherung der Bestände war schon seit zehn Jahren im Gange, als Quinn und Lutz an diesem Novembernachmittag in einem Lokal in der Domstraße zusammen bei einem Bier saßen. Lutz
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