Der Unterhändler
Telefonbüchern.«
»Das Strafregister?« fragte Quinn.
»Abgesehen von Bundesorganen, muß man sich an zehn verschiedene Polizeibehörden der Länder wenden«, sagte Lutz. »Seit dem Krieg, als uns die Allierten freundlicherweise demokratische Verhältnisse verpaßten, ist ja alles dezentralisiert. Damit wir nicht noch einmal einen Hitler bekommen können. Das macht es zu einem Riesenvergnügen, jemanden ausfindig zu machen. Ich weiß Bescheid, denn es gehört zu meinem Job. Und bei einem Mann wie dem hier … beinahe aussichtslos. Wenn der verschwinden will, dann gelingt ihm das auch. Der hier wollte verschwinden, sonst hätte er in den dreiundzwanzig Jahren irgendwann ein Interview gegeben, wäre sein Name früher oder später in den Zeitungen erschienen. Und dann hätten wir ihn in unserem Archiv.«
Quinn hatte noch eine letzte Frage: Woher dieser Mann, dieser Bernhardt stamme? Lutz überflog die Blätter.
»Aus Dortmund«, sagte er. »Dort wurde er geboren und ist er aufgewachsen. Vielleicht weiß die Dortmunder Polizei etwas. Aber man wird Ihnen keine Auskunft geben. Der Datenschutz, wissen Sie, wir halten es in Deutschland sehr streng mit dem Datenschutz.«
Quinn dankte ihm und ließ ihn gehen. Dann wanderten er und Sam die Straße hinunter und hielten nach einem Restaurant Ausschau.
»Wohin fahren wir als nächstes?« fragte sie.
»Nach Dortmund«, sagte er. »Ich kenne einen Mann in Dortmund.«
»Liebling, du kennst überall einen Mann.«
An einem Tag Mitte November traf Michael Odell den Präsidenten allein im Oval Office an. Der Vizepräsident war betroffen, wie sehr sein alter Freund sich verändert hatte. John F . Cormack hatte sich seit dem Begräbnis keineswegs erholt. Er machte den Eindruck, als wäre er geschrumpft.
Aber nicht nur Cormacks äußere Erscheinung beunruhigte Odell; die ehemalige Kraft der Konzentration war dahin, die scharfe Intelligenz geschwächt. Er versuchte, die Aufmerksamkeit des Präsidenten auf den Terminkalender zu lenken.
»Ach ja«, sagte der Präsident, bemüht, sich aus der Lethargie aufzuraffen. »Was gibt’s denn heute?«
Er betrachtete die Seite für den Montag.
»John, wir haben Dienstag«, sagte Odell sanft.
Während die Blätter umgeschlagen wurden, sah der Vizepräsident mit breitem Rotstift durchgestrichene Termine. Das Staatsoberhaupt eines NATO -Mitglieds war nach Washington gekommen, und der Präsident sollte den Besucher auf dem Rasen vor dem Weißen Haus begrüßen; nicht mit ihm verhandeln – der europäische Politiker würde das verstehen –, sondern nur eine Begrüßung.
Aber es ging nicht darum, ob der Gast aus Europa verstehen würde – das Problem war, ob die Medien es verstehen würden, wenn sich der Präsident nicht sehen ließ. Odell fürchtete, sie würden nur zu gut verstehen.
»Vertreten Sie mich bitte, Michael«, sagte Cormack.
Der Vizepräsident nickte.
»Natürlich«, sagte er mit düsterer Stimme. Es war die zehnte Absage einer Verpflichtung in einer Woche. Mit dem Papierkram wurde der Stab des Weißen Hauses fertig; Cormack hatte sich ein gutes Team ausgesucht. Aber das amerikanische Volk häuft viel Macht auf diesen einen Mann, der Präsident, Staatsoberhaupt, Chef der Exekutive, Oberstkommandierender der Streitkräfte ist, der Mann mit dem Finger an dem Knopf, der einen Nuklearkrieg auslösen kann. Unter bestimmten Bedingungen … Es war der Justizminister, der eine Stunde später im Lageraum Odells der allgemeinen Besorgnis Ausdruck gab.
»Er kann nicht ewig im Mansion herumsitzen«, sagte Walters.
Odell hatte ihnen berichtet, in welcher Verfassung er eine Stunde vorher den Präsidenten angetroffen hatte. Anwesend war nur der innere Kreis – Odell, Stannard, Walters, Donaldson, Reed und Johnson – und dazu Dr. Armitage, den man als Berater gebeten hatte, an der Sitzung teilzunehmen.
»Cormack ist nur noch eine Hülse, ein Schatten seiner selbst. Verdammt, erst fünf Wochen ist das her«, sagte Odell. Seine Zuhörer blickten niedergeschlagen drein.
Dr. Armitage erläuterte, daß Präsident Cormack an einem Post-Schock-Trauma leide, von dem er sich anscheinend nicht zu erholen vermöge.
»Was bedeutet das, wenn man den Jargon abzieht?« knurrte Odell.
Es bedeute, sagte Dr. Armitage geduldig, daß der Präsident unter einem so schweren persönlichen Kummer leide, daß sein Wille weiterzumachen, gelähmt werde.
Gleich nach der Entführung, berichtete der Psychiater, habe den Präsidenten ein ähnliches,
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