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Der Unterhändler

Der Unterhändler

Titel: Der Unterhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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seufzte.
    »Also schön«, sagte er, »wie heißt er?«
    »Paul Marchais«, sagte Quinn. »Ein belgischer Söldner. War vierundsechzig bis achtundachtzig im Kongo. Und was an allgemeinem Hintergrundmaterial über die damaligen Ereignisse da ist.«
    Julian Haymans Archiv in London enthielt vielleicht etwas über Marchais, aber Quinn hatte Haymann damals keinen Namen angeben können. Eine Stunde später war Lutz mit einem Dossier wieder da.
    »Ich darf es nicht aus der Hand geben«, sagte er. »Und bis zum Abend muß es wieder zurück sein.«
    »Quatsch«, sagte Quinn liebenswürdig. »Geh’n Sie zurück zu Ihrer Arbeit und kommen Sie in vier Stunden wieder. Dann bekommen Sie es zurück.«
    Lutz ging. Sam hatte von dem auf deutsch geführten Gespräch nichts verstanden, aber jetzt beugte sie sich zu Quinn hin, um zu sehen, was er bekommen hatte.
    »Wonach suchst du?« fragte sie.
    »Ich möchte rausbekommen, ob der Kerl Kumpel hatte, Typen, die ihm wirklich nahestanden«, antwortete Quinn. Er begann zu lesen.
    Das erste war ein Artikel aus einer Antwerpener Zeitung aus dem Jahr 1965, der sich allgemein mit Belgiern befaßte, die in den Kongo gegangen waren, um dort zu kämpfen. Für Belgien war das seinerzeit ein stark mit Gefühlen befrachtetes Thema – die Schilderungen von den Ausschreitungen der Simba-Rebellen gegen Priester, Nonnen, Plantagenbesitzer, Missionare, Frauen und Kinder, viele von ihnen Belgier, hatten die Söldner, die die Revolte niederschlugen, gewissermaßen mit der Gloriole von Helden umgeben. Der Artikel war auf flämisch verfaßt, eine deutsche Übersetzung beigefügt.
    Marchais, Paul: als Sohn eines wallonischen Vaters und einer flämischen Mutter 1943 in Lüttich geboren – das würde den französisch klingenden Namen eines in Antwerpen aufgewachsenen Jungen erklären. Vater bei der Befreiung Belgiens 1944/45 umgekommen. Mutter in ihre Heimatstadt Antwerpen zurückgekehrt.
    Die Jungenjahre im Slum, im Hafenviertel verbracht. Schon früh als Heranwachsender Scherereien mit der Polizei. Eine Serie von Verurteilungen wegen kleinerer Vergehen bis zum Frühjahr 1964. Im Kongo bei Jacques Schrammes Leopardengruppe aufgetaucht … Von einer Vergewaltigungsanzeige war nichts erwähnt; vielleicht schwieg die Antwerpener Polizei darüber in der Hoffnung, er werde zurückkehren und könne dann verhaftet werden.
    Dann fand Quinn in dem Dossier eine flüchtige Erwähnung. 1966 hatte er offenbar Schramme verlassen und sich dem Fünften Kommando angeschlossen, das damals John Peters als Nachfolger von Mike Hoare anführte. Da es überwiegend aus Südafrikanern bestand – Peters hatte die meisten von Hoares Engländern rasch hinausgedrängt –, könnte Marchais sein Flämisch geholfen haben, sich unter den Afrikaandern zu behaupten, da Afrikaans und Flämisch einander ziemlich ähnlich sind.
    In zwei anderen Meldungen wurde Marchais oder einfach ein riesiger Belgier, der »große Paul«, ebenfalls erwähnt: Nach der Auflösung des Fünften Kommandos und Peters’ Abreise hatte er sich rechtzeitig für die Meuterei in Stanleyville Schramme wieder angeschlossen und an dem langen Marsch nach Bukavu teilgenommen.
    Schließlich hatte Lutz noch fünf Fotokopien von Auszügen aus Anthony Mocklers Klassiker Histoire des Mercenaires beigelegt, mit deren Hilfe Quinn die Ereignisse während Marchais’ letzter Monate im Kongo rekonstruieren konnte.
    Nachdem die Simba-Revolte schließlich unterdrückt worden war, kam es in der kongolesischen Hauptstadt zu einem Putsch, und General Mobutu ergriff die Macht. Er versuchte sofort, die verschiedenen Kommandos aus weißen Söldnern aufzulösen und abzuschieben. Das Fünfte Kommando, die britisch-südafrikanische Gruppe, ließ sich widerstandslos auflösen. Das Sechste Kommando weigerte sich. Es wurde von dem Franzosen Bob Denard angeführt. Im Juni 1967 meuterte es in Stanleyville; Denard erhielt einen Kopf schuß und wurde nach Rhodesien evakuiert. Jacques Schramme machte sich zum Boß. Er kommandierte einen buntgemischten Haufen von Übriggebliebenen aus dem Fünften Kommando, französischen Angehörigen des Sechsten Kommandos, die keinen Anführer mehr hatten, und seinen eigenen Belgiern sowie mehreren hundert rekrutierten Katangesen.
    Ende Juli, als sie Stanleyville nicht länger halten konnten, machten sie sich in Richtung Grenze auf und kämpften sich einen Korridor frei, bis sie Bukavu erreichten, früher ein reizender, kühler Badeort an einem See. Dort

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