Der Unterhändler
drei Fluggästen. Sie hatte kein Gepäck außer ihrer neuen, in Orly gekauften Handtasche und einer kleinen, ledernen Reisetasche, ebenfalls neu, mit verschiedenen Toiletteartikeln und einem Pyjama. Sie trug noch das Kostüm, in dem sie an dem Treffen mit Zack in Chez Hugo am Vormittag teilgenommen hatte.
Ronnie hatte zwar eine Beschreibung von ihr bekommen, aber sie wurde ihr keineswegs gerecht. Wie Bernie und Arfur war auch er verheiratet, und wie die Frauen der anderen war auch seine »Alte« eine Wasserstoffblondine, die Mähne durch ständige Sonnenanbetung noch zusätzlich gebleicht, und mit der Eidechsenhaut, wie sie zuviel Ultraviolettstrahlung beschert. Ronnie bemerkte die helle Haut und die Stundenglasfigur der jungen Frau, die da ankam, mit Wohlgefallen.
»Schau einer an!« murmelte Bernie.
»Lecker«, sagte Tel. Es war sein Lieblingsadjektiv. Alles, was ihn überraschte oder was ihm gefiel, bezeichnete er als »lecker«.
Ronnie trat nach vorne. »Miss Somerville?«
»Ja.«
»’n Abend. Ich bin Ronnie. Das ist Bernie, das Arfur und das Tel. Quinn hat uns gebeten, wir möchten uns um Sie kümmern. Der Wagen steht gleich da draußen.«
Quinn fuhr nach Marseille hinein, als der letzte Novembertag kalt und regnerisch heraufzog. Er hatte die Wahl, vom Flughafen Marignane nach Ajaccio, der Hauptstadt Korsikas, zu fliegen und noch am selben Tag dort anzukommen, oder mit der Fähre am Abend zu fahren und den Wagen mitzunehmen.
Er entschied sich für die Fähre. Zum einen brauchte er in Ajaccio keinen Wagen zu mieten, und zum andern konnte er unbesorgt den Revolver mitnehmen, den er noch im Hosenbund stecken hatte, und zum dritten wollte er für den Aufenthalt auf Korsika vorsichtshalber ein paar kleine Einkäufe machen.
Der Quai de la Joliette, wo die Fähren anlegen, war beinahe leer. Die am Morgen aus Ajaccio eingetroffene Fähre lag am Pier, die Passagiere hatten sie eine Stunde vorher verlassen. Die Fahrkartenverkaufsstelle der SNCM am Boulevard des Dames hatte noch geschlossen. Er parkte den Wagen und tat sich an einem Frühstück gütlich, während die Zeit verging.
Um 9 Uhr buchte er die Überfahrt auf der Napoleon, die um 20 Uhr abfuhr und um 7 Uhr am Morgen danach in Ajaccio eintraf. Unter Vorweisung seiner Fahrkarte konnte er den Ascona auf dem Parkplatz für die Passagiere abstellen, in der Nähe des Quai J 4, von dem die Fähre ablegen würde. Als das erledigt war, kehrte er zu Fuß in die Stadt zurück, um seine Einkäufe zu machen.
Die Leinwandtasche war leicht aufzutreiben, und in einer Drogerie ersetzte er das Rasierzeug und die Toilettensachen, die er in der Rue du Colisee in Paris zurückgelassen hatte. Seine Fragen nach einem Herrenfachgeschäft wurden mehrmals mit einem Kopfschütteln beantwortet, aber schließlich fand er eines in der nur Fußgängern zugänglichen Rue St. Ferreol gleich nördlich des Alten Hafens.
Der junge Verkäufer gab sich Mühe, und der Kauf der Stiefel, Jeans, des Gürtels, des Hemds und des Hutes machte keinerlei Probleme. Als Quinn seinen letzten Wunsch vorbrachte, gingen die Augenbrauen des jungen Mannes in die Höhe.
»Sie möchten was, M ’sieur?«
Quinn wiederholte, was er noch brauchte.
»Tut mir leid, aber ich glaube nicht, daß wir so etwas verkaufen.« Er peilte die beiden großen Geldscheine an, die verführerisch zwischen Quinns Fingern durchglitten.
»Vielleicht im Lager? Eine alte, die nicht mehr gebraucht wird?« regte Quinn an.
Der junge Mann blickte rasch um sich.
»Ich werd’ mal nachsehen, Monsieur. Kann ich Ihre Tasche mitnehmen?«
Er blieb zehn Minuten in dem Lagerraum am Ende des Ladens. Als er wiederkam, öffnete er die Tasche, damit Quinn einen Blick hineinwerfen konnte.
»Großartig«, sagte Quinn. »Genau das, was ich wollte.«
Er zahlte, gab dem jungen Mann die in Aussicht gestellte Belohnung und ging hinaus. Es Harte auf, und er nahm sein Mittagessen vor einem Cafe im Alten Hafen ein. Beim Kaffee studierte er eine Stunde lang eine große Karte von Korsika. In der beigefügten Liste mit den Ortsbeschreibungen stand über Castelblanc lediglich, daß es im Gebiet des Ospedale-Massivs tief im Süden der Insel liege.
Um 20 Uhr glitt die Napoleon rückwärts aus der Gare Maritime. Quinn saß bei einem Glas Wein in der Bar des Aigles, die um diese Jahreszeit beinahe leer war. Als die Napoleon wendete, um den Bug dem Meer zuzukehren, glitten draußen vor dem Fenster die Lichter von Marseille vorbei, gefolgt von
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