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Der Untoten Zaehmung

Der Untoten Zaehmung

Titel: Der Untoten Zaehmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Handeland
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und sie in diesen erstaunlichen schwarzen Augen gesehen.
    Will hatte schon einmal einen Mann geküsst, aber noch niemals so. Das einzige Mal, dass er es versucht hatte, um die endlosen Nächte etwas weniger endlos zu machen, hatte er nichts empfunden. Er war einfach ein Mann, der Frauen bevorzugte, selbst wenn er in Wahrheit nicht länger als Mann bezeichnet werden konnte.
    Der Knabe war erst ein paar Momente fort, als Will einfiel, dass er immer noch nicht wusste, wie der Junge zu einem Jäger geworden war, wer es ihn gelehrt hatte und warum.
    Will war so schnell, dass ihm kein Mensch davonlaufen konnte. Und nun, da er den Geruch des Knaben kannte, so einzigartig, so köstlich, konnte Will ihm überallhin folgen.
    »Duft’ge Rosen«, murmelte Will. »Aus ihrem süßen Tod wird süß’rer Duft entbunden.« Oh, wie sehr er sich Papier und Federkiel wünschte!
    Auch wenn Wills Artgenossen in Sagen und Legenden als herzlose, mordende Monster dargestellt wurden, war die einzige dauerhafte Veränderung doch nur körperlich.
    Das bedeutete, wenn man schon vorher ein herzloses, mordendes Monster gewesen war, würde man nach der Verwandlung immer noch eines sein. Und wenn man als Mensch ein sensibler Stückeschreiber gewesen war, würde man das auch als Untoter sein.
    Nach dem Erwachen gab es natürlich erst einmal eine Phase der Blutlust, die dem jugendlichen Erwachen des körperlichen Verlangens glich. Anfangs verlor man oft die Kontrolle, hatte niemals genug und wollte immer mehr, aber mit der Zeit mäßigte sich das. Kreaturen wie er wurden wieder zu den Persönlichkeiten, die sie zuvor waren, wenn sie es so wollten.
    Darum beunruhigte Will sein plötzliches Verlangen nach einem Jungen. Solch eine Gier hatte er niemals zuvor verspürt. Würde es ihn bald wieder nach menschlichem Blut dürsten, ein Begehren, das er längst besiegt geglaubt hatte? Würde er sich genötigt fühlen, Zombies zu erschaffen, die Chaos und Verwüstung über die kleine Insel brachten, die Will stets sein Zuhause genannt hatte?
    Fürwahr, er könnte das Blut des Burschen kosten. Will besaß die Fähigkeit, Menschen zu überzeugen , sie handeln und es dann vergessen zu lassen. Er könnte nur eine Kostprobe nehmen; der Junge würde es gar nicht merken. Will musste nicht mehr tun, als einmal über die Wunde zu lecken, und sie würde heilen.
    Aber Will würde das nicht tun. Er hatte zu hart dafür gearbeitet und zu lange gelitten, um das zu wiederholen, was er kurz nach seiner Wandlung hatte durchmachen müssen.
    Als er durch eine Krankheit – vielleicht die Pest, wer wusste das schon? – im Sterben gelegen hatte, war er vor die Wahl gestellt worden: vergehen oder ein neues Leben umarmen. Will hatte sich für Letzteres entschieden, da noch so viele Geschichten in seinem Kopf herumwirbelten, die er aufschreiben wollte. Doch derjenige, der ihn in dieser Nacht neu erschuf, in einer Hütte irgendwo auf einem Hügel in Britannien, hatte versäumt, ihm genau zu erklären, was Letzteres bedeutete.
    Fairerweise musste man sagen, dass der Vampir, der ihn gewandelt hatte, nicht wissen konnte, dass Will ein Nekromant war, der zusätzlich zu seinem Blutdurst auch noch die Fähigkeit haben würde, die Toten zu erwecken.
    Will hatte den Namen des Mannes niemals erfahren. Er war so krank gewesen, so nah am Tode, dass er kaum dessen Gesicht wahrgenommen hatte. Sein Schöpfer schien einige Jahre jünger als er zu sein – auf seinen Wangen hatte er keinen Bart gesehen – , vielleicht gerade erst dem Kindesalter entwachsen, als er selbst gewandelt worden war. Will wäre nicht überrascht gewesen, wenn der Mann in einer Zeit geboren worden wäre, in der es noch keine Namen gab.
    Aber er hatte die Wahrheit niemals erfahren. Denn anstatt ihn zu lehren, wie er als Wesen der Dunkelheit existieren konnte, hatte Wills Schöpfer ihm das Geschenk gegeben und war weitergezogen. Und Will hatte alles über sein neues Unleben selbst lernen müssen.
    In der ersten Nacht, in der Will an einem Friedhof entlanggegangen war, hatte es ihn verwirrt und erschreckt zu sehen, wie die Gräber ihre Toten ausspuckten.
    Es hatte viel Zeit und Übung gekostet, aber schließlich war Will klar geworden, was er getan hatte, und was er tun musste, um es zu verhindern, wenn er nicht wollte, dass es geschah. Ein Vollmond, ein Weckruf seines Geistes an diejenigen, die fort waren, und – voilà ! – die Toten erhoben sich.
    Will beobachtete, wie sich der Knabe einem großen Herrenhaus näherte.

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