Der Untoten Zaehmung
Fremden geküsst, der nachts in einer Gasse auftauchte.«
Er wusste es.
Ich war nicht überrascht. Dennoch musste ich in ihm Zweifel wecken.
»Ich bin eine Dame, Herr. Ihr würdet mich nicht eher in einer Gasse finden als … « Mein Verstand suchte nach einem angemessenen Vergleich.
»Auf der Zombiejagd?« Er zog eine Augenbraue nach oben, und seine vollen, weichen und herrlich kühlen Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln.
»Zombies«, höhnte ich. »Je mehr Ihr sprecht, desto verrückter klingt Ihr.«
»Ihr könnt es so heftig abstreiten, wie Ihr wollt, schwarze Dame, aber ich habe Euch geküsst und würde Euch überall wiedererkennen.«
Panik begann, in meinem Brustkorb umherzuflattern wie ein armer gefangener Vogel, und ich stieß hervor: »Ihr habt einen Knaben geküsst, Bursche. An Eurer Stelle würde ich das nicht übermäßig verkünden.«
Sein Grinsen wies mich auf meinen Fehler hin. Die einzigen beiden Personen in der Gasse waren er und ich gewesen. Wenn er noch einen Zweifel an meiner wahren Identität gehabt haben sollte, hatte ich ihn gerade ausgeräumt.
Ich Närrin!
»Wenn Ihr denkt, dass ich Euch für Euer Schweigen bezahle, liegt Ihr falsch.«
Ein düsterer Blick verzog seine weichen, süßen Lippen. »Wie könnt Ihr so etwas nur glauben?«
»Wie sollte ich denn nicht? Ihr küsst einen Knaben, dann folgt Ihr ihm nach Hause … «
»Euer Duft verzauberte mich. Eure Augen, diese Wangen. Ich konnte Euch einfach nicht widerstehen.«
Ich wusste nicht, was davon Wahrheit und was Lüge war. Aber das war schon immer mein Problem gewesen.
»Es war eine Sünde, mich zu küssen«, begann ich.
Er streckte seine Hand aus und berührte meine Wange. Seine Finger fühlten sich wie Winterregen an. »Dann gebt mir meine Sünde zurück«, flüsterte er.
Sein Atem war so frisch und süß, seine Lippen so kühl und weich, dass ich nur an ihn denken konnte. Ich beugte mich über die Brüstung und vergrub meine Finger in seinen Haaren. Er streckte sich nach oben, seine Hand blieb dabei auf meiner Wange liegen.
»Kind?«
Ich riss mich fort. Griff der Wahnsinn nun etwa auch auf mich über?
»Sogleich, liebe Amme«, rief ich. Mein Blick war immer noch auf ihn geheftet, während ich hineinging, bevor die Amme sich entschied hinauszukommen.
Sie starrte auf die leere Wanne, als ob sie mich darin entdecken könnte. Als ich sie an der Schulter berührte, erschrak sie. Ein dumpfer Aufprall und ein Fluch von draußen ließen mich wieder einmal für die starke Schwerhörigkeit dieser Frau dankbar sein.
»Da seid Ihr ja!«, rief die Amme.
Ich hielt die Bürste hoch und deutete auf den Balkon. »Ich habe draußen mein Haar gekämmt.«
»Zeit zum Schlafen«, verkündete die Amme, als ob sie nichts von dem gehört hätte, was ich gesagt habe, was zweifellos der Fall war.
Ich entschied, dass es das Beste war, mich zu fügen und die Frau auf diese Weise so schnell wie möglich loszuwerden. Ich erlaubte der Amme, mich zuzudecken und meinen Kopf zu tätscheln. In solchen Momenten vermisste ich Nounou ganz besonders. Ich hatte mich immer so sicher gefühlt mit meiner eigenen Amme und ihrem Schwert.
Sobald sich die Tür hinter der alten Frau geschlossen hatte, sprang ich auf, eilte auf den Balkon und blickte über die Brüstung.
Niemand war dort.
Meine Brust schnürte sich zusammen. Ich wusste nicht, warum. Seine Abwesenheit war das Beste. Ich hatte bereits entschieden, dass ich ihn niemals wiedersehen würde. Er war eine Schwäche, die ich mir nicht leisten konnte.
»Sagt mir, schwarze Dame … «
Ich fuhr herum. Wieder war er ein Teil der Schatten. Ich konnte nur einen Hauch seines Umrisses und den leichten Glanz seiner Augen erkennen. Er stand so reglos da wie der Tod selbst und schien kaum zu atmen.
»Woher wisst Ihr von Zombies?«, murmelte er.
Ich öffnete meinen Mund – doch ich würde nie erfahren, ob ich es tat, um ihn zu fragen, warum er mich schwarze Dame nannte oder um ihm die Wahrheit zu erzählen, denn bevor ich sprechen konnte, hörte ich erneut: »Kind?«
Würde mich diese Frau denn niemals in Ruhe lassen?
»Sogleich!«, rief ich, und er zuckte zusammen. Zumindest konnte ich ihn besser sehen, wenn er sich bewegte.
»Drei Worte«, flüsterte ich, »dann gute Nacht. Wir müssen reden, also teilt mir morgen mit, wo und zu welcher Zeit. Am besten in den frühen Morgenstunden.«
Er trat aus der Dunkelheit in das Mondlicht. Sein Gesicht wirkte schmerzerfüllt. »Wir können uns nur in der Nacht
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