Der Vampir der mich liebte
am Straßenrand anhalten und einen
Blick auf meinen Stadtplan von Shreveport werfen, um Parchman Avenue 714 zu finden. (Irgendwie hatte ich angenommen, Eric könnte sich schon an die Richtung erinnern. Aber das konnte er natürlich nicht.)
»Dein Wort des Tages war übrigens >Desaster<«, erzählte er mir fröhlich.
»Oh, danke fürs Nachsehen.« Vermutlich klang das nicht sonderlich dankbar. »Du scheinst ja ziemlich begeistert über all das.«
»Sookie, es gibt nichts Besseres als einen guten Kampf«, sagte er zu seiner Rechtfertigung.
»Kommt drauf an, wer gewinnt, würde ich sagen.«
Das ließ ihn für ein paar Minuten verstummen, was auch gut war. Ich hatte ziemliche Schwierigkeiten, die fremden Straßen in der Dunkelheit zu erkennen, zumal ich noch so viel anderes im Kopf hatte. Doch schließlich fanden wir die richtige Straße und auch das richtige Haus in dieser Straße. Ich hatte mir immer vorgestellt, dass Pam und Chow in einer Art Herrenhaus lebten, aber die Vampire bewohnten ein großes Einfamilienhaus in einem Vorort der oberen Mittelschicht. Es war eine Straße mit gepflegten Rasen, Fahrradwegen und Sprinkleranlagen, soweit ich erkennen konnte.
In der Auffahrt zu Nummer 714 brannte Licht, in der großen Garage an der rückwärtigen Seite des Hauses parkten drei Autos. Also fuhr ich die leichte Anhöhe zum betonierten Stellplatz für Besucher hinauf, wo bereits Alcides Pick-up stand und der Kombiwagen, den ich in der Auffahrt von Colonel Flood gesehen hatte.
Ehe wir aus meinem alten Auto stiegen, beugte sich Eric zu mir herüber und küsste mich. Wir sahen uns an. Seine großen Augen waren so blau und das Weiße so weiß, ich konnte den Blick kaum abwenden. Sein goldblondes Haar war ordentlich gekämmt und mit einem meiner Haargummis zurückgebunden, einem hellblauen. Er trug eine Jeans und ein neues Flanellhemd.
»Noch können wir umkehren«, sagte er. Im Schein der Innenleuchte meines Autos wirkte sein Gesicht hart wie Stein. »Noch können wir umkehren und zu dir nach Hause fahren. Ich kann für immer bei dir bleiben. Wir können auf alle erdenklichen Arten unsere Körper weiter erkunden, Nacht für Nacht. Ich könnte dich wirklich lieben.« Seine Nasenflügel bebten, und plötzlich sah er stolz aus. »Ich könnte arbeiten. Du wärst nicht länger arm. Ich würde dir helfen.«
»Klingt wie eine Ehe«, sagte ich und versuchte, die Atmosphäre zu entspannen. Aber meine Stimme zitterte zu sehr.
»Ja«, sagte er.
Und er würde nie wieder er selbst sein. Er würde immer die falsche Version von Eric bleiben, ein Eric, der um sein wahres Leben betrogen wurde. Falls unsere Beziehung (so wie sie war) tatsächlich andauerte, würde er immer derselbe bleiben; aber ich würde mich verändern.
Schluss jetzt mit den negativen Gedanken, Sookie , sagte ich zu mir selbst. Ich wäre doch total bescheuert, die Gelegenheit, mit diesem hinreißenden Geschöpf - wie lange auch immer - zu leben, einfach so an mir vorüberziehen zu lassen. Wir verstanden uns richtig gut, ich liebte seinen Humor, und ich hatte ihn sehr gern um mich, vom Sex mit ihm gar nicht erst zu reden. Seit er sein Gedächtnis verloren hatte, war es auf ganz unkomplizierte Weise sehr schön mit ihm.
Genau das war der Haken. Wir würden eine unwahrhaftige Beziehung führen, weil dies nicht der wahrhafte Eric war. Und da wären wir wieder am Ausgangspunkt.
Mit einem Seufzer stieg ich aus dem Auto. »Ich bin total bescheuert«, sagte ich, als wir auf das Haus zugingen.
Eric sagte gar nichts. Ich schätze mal, er war ganz meiner Meinung.
»Hallo«, rief ich und machte die Hintertür auf, nachdem keiner auf mein Klopfen reagiert hatte. Die Tür von der Garage ins Haus führte erst in einen Wirtschaftsraum und von dort in die Küche.
Wie in einem Vampirhaushalt nicht anders zu erwarten, war die Küche blitzblank, weil sie nie benutzt wurde. Für ein Haus dieser Größe war die Küche sehr klein. Wahrscheinlich hatte die Maklerin gemeint, ihren Glückstag - oder ihre Glücksnacht - erwischt zu haben, als sie den Vampiren das Haus zeigte. Denn eine normale Familie, die zu Hause kochte, dürfte wohl Schwierigkeiten haben mit einer Küche im Format eines Doppelbetts. Das Haus war weitgehend offen und ohne Zwischenwände gebaut, so dass wir über den Küchentresen direkt in den Wohnbereich blickten - in diesem Fall der Wohnbereich einer mächtig seltsamen Familie. Es gab drei Durchgänge, die in irgendwelche anderen Bereiche des Hauses
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