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Der Vampir der mich liebte

Der Vampir der mich liebte

Titel: Der Vampir der mich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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verlaufen würden. Zumindest glaubte ich das. Als ich ans Telefon ging, wurde mir klar, dass ich weit davon entfernt war.
    »Wo ist dein Bruder?«, brüllte Jasons Chef, Shirley Hennessey. Shirley als Vorname für einen Mann hielt jeder nur so lange für witzig, bis er sich mit dem realen Beispiel konfrontiert sah. In dem Moment hatten noch alle entschieden, ihre Belustigung für sich zu behalten.
    »Woher soll ich das wissen?«, fragte ich berechtigterweise. »Er hat wahrscheinlich bei irgendeiner Frau die Uhrzeit verschlafen.« Shirley, den alle Welt nur als Catfish kannte, hatte noch nie zuvor hier angerufen, um Jason aufzuspüren. Eigentlich wäre ich sogar höchst überrascht gewesen, wenn er überhaupt je irgendwo angerufen hätte. In einem war Jason wirklich perfekt, und das war, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen und wenigstens den Anschein von Betriebsamkeit zu erwecken, bis Feierabend war. Im Grunde war Jason sogar ganz gut in seinem Job, den ich nie so richtig begriffen hatte. Es schien irgendwas damit zu tun zu haben, dass er seinen Pick-up an der Landstraße unserer Gemeinde parkte, in einen anderen Truck mit dem Logo des Landkreises Renard umstieg und darin herumfuhr, um verschiedenen Straßenbautrupps zu erzählen, was sie zu tun hatten. Ein wichtiger Bestandteil des Jobs war anscheinend auch, dass er aus dem Truck ausstieg, um mit den anderen Männern zusammen herumzustehen und in große Löcher in oder nahe bei der Straße zu starren.
    Meine Offenheit hatte Catfish etwas aus dem Konzept gebracht. »Sookie, solche Sachen solltest du aber nicht sagen«, erklärte er, sehr schockiert darüber, dass eine unverheiratete Frau frei heraus aussprach, dass ihr Bruder keine Jungfrau mehr war.
    »Wollen Sie mir etwa erzählen, dass Jason nicht zur Arbeit erschienen ist? Und deshalb rufen Sie hier an?«
    »Ja und ja«, sagte Catfish, der in keiner Hinsicht ein Dummkopf war. »Ich habe sogar Dago zu ihm nach Hause geschickt.« Dago (eine nicht sehr nette Bezeichnung für italienische Einwanderer) war Antonio Guglielmi, der in seinem Leben noch nie weiter als ein paar Kilometer aus Louisiana herausgekommen war. Und ich war mir ziemlich sicher, dass das Gleiche auch für seine Eltern galt und wahrscheinlich auch für seine Großeltern, obwohl ein Gerücht besagte, dass die mal in Branson im Kino gewesen waren. Als Straßenbauer musste man mit solchen Spitznamen rechnen.
    »War sein Pick-up denn da?« Mich beschlich langsam, aber sicher das kalte Grausen.
    »Ja«, sagte Catfish. »Der parkte vor seinem Haus, der Schlüssel steckte. Und die Tür stand offen.«
    »Die Tür vom Pick-up oder die Haustür?«
    »Was?«
    »Was stand offen? Welche Tür?«
    »Oh, die vom Pick-up.«
    »Das klingt nicht gut, Catfish«, sagte ich. Mittlerweile zitterte ich richtig.
    »Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
    »Gestern Abend. Er war kurz bei mir, und gegangen ist er etwa um ... das muss so um halb zehn oder zehn gewesen sein.«
    »War irgendjemand bei ihm?«
    »Nein.«
    Das war die reine Wahrheit, er hatte niemanden dabeigehabt.
    »Meinst du, ich sollte den Sheriff verständigen?«, fragte Catfish.
    Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. So weit war ich noch nicht, ganz egal wie katastrophal die Situation auch zu sein schien. »Warten wir noch eine Stunde«, schlug ich vor. »Wenn er innerhalb der nächsten Stunde nicht zur Arbeit erscheint, lassen Sie es mich wissen. Wenn er auftaucht, soll er mich anrufen. Und es ist wohl eher meine Aufgabe, den Sheriff zu benachrichtigen, falls es nötig ist.«
    Ich legte auf, nachdem Catfish alle Einzelheiten der Geschichte noch mehrere Male wiederholt hatte, einfach weil er sich davor fürchtete, aufzulegen und mit seinen Sorgen allein zu sein. Nein, übers Telefon kann ich keine Gedanken lesen, aber ich konnte es an seiner Stimme hören. Schließlich kannte ich Catfish Hennessey schon viele Jahre. Er war ein Freund meines Vaters gewesen.
    Ich nahm das schnurlose Telefon mit ins Badezimmer, wo ich erst mal duschte, um wach zu werden. Mein Haar wusch ich nicht, es hätte ja sein können, dass ich jeden Augenblick das Haus verlassen musste. Ich zog mich an, kochte mir einen Kaffee und flocht mein Haar zu einem langen Zopf. Und während ich all diese Aufgaben erledigte, dachte ich nach - was mir immer schwer fällt, wenn ich still sitze.
    Drei mögliche Szenarien fielen mir ein.
    Erstens. (Dieses gefiel mir am besten.) Irgendwo auf dem Weg von meinem Haus zu seinem Haus hatte mein Bruder eine

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