Der Vampir der mich liebte
Frau getroffen und sich so augenblicklich und total in sie verliebt, dass er mit seiner jahrelangen Gewohnheit gebrochen und einfach vergessen hatte, zur Arbeit zu gehen. Und in diesem Moment lagen die beiden irgendwo im Bett und hatten großartigen Sex miteinander.
Zweitens. Die Hexen, oder was immer zum Teufel sie auch waren, hatten irgendwie herausgefunden, dass Jason Erics Aufenthaltsort kannte, und ihn entführt, um ihm die Information gewaltsam zu entreißen. (Ich nahm mir vor, unbedingt mehr über Hexen in Erfahrung zu bringen.) Wie lange würde Jason Erics Unterschlupf geheim halten können? Mein Bruder spielt sich oft ziemlich auf, aber eigentlich ist er ein tapferer Kerl - oder vielleicht trifft »stur« es etwas genauer. Es war sicher nicht leicht, etwas aus ihm herauszuholen. Ob eine Hexe ihn durch Verzauberung zum Reden zwingen konnte? Wenn die Hexen ihn hatten, war er vielleicht sogar schon tot, da er bereits seit Stunden verschwunden war. Und wenn er geredet hatte, war ich in Gefahr und Eric verloren. Sie könnten jede Minute auftauchen, zumal Hexen nicht an die Dunkelheit gebunden waren. Eric war tagsüber tot, wehrlos. Dies war eindeutig das schlimmste Szenario.
Drittens. Jason war mit Pam und Chow nach Shreveport gefahren. Vielleicht hatten sie ihm einen Vorschuss gezahlt oder vielleicht wollte er das Fangtasia besuchen, einfach weil es ein beliebter Nachtclub war. Dort könnte er von irgendeiner verführerischen Vampirin becirct worden sein und die ganze Nacht mit ihr verbracht haben. Denn in dieser Hinsicht war Jason wie Eric, die Frauen flogen geradezu auf ihn. Und falls sie ihm etwas zu viel Blut ausgesaugt hatte, musste er sich erst mal ausschlafen. Okay, das dritte Szenario war eigentlich nur eine Variation des ersten.
Wenn Pam und Chow wussten, wo Jason war, aber nicht angerufen hatten, ehe sie ihren Tagestod starben, war ich richtig, richtig sauer. Der Impuls packte mich, zur Axt zu greifen und gleich mal ein paar Pfahlpflöcke zu schnitzen.
Doch dann erinnerte ich mich an das, was ich so unbedingt zu vergessen versuchte: wie es sich angefühlt hatte, als ich den Pfahl in Lorenas Körper trieb; der Ausdruck in ihrem Gesicht, als sie begriff, dass ihr langes Leben nun zu Ende ging. Ich schob diesen Gedanken mit aller Kraft von mir. Niemand tötet jemand anderen (nicht einmal eine bösartige Vampirin), ohne dass es einen früher oder später emotional einholt: es sei denn, man ist ein totaler Soziopath - was ich nicht war.
Lorena hätte mich getötet, ohne mit der Wimper zu zucken. Und sie hätte es bestimmt noch genossen. Andererseits war sie eine Vampirin, und Bill war nie müde geworden, mir zu erklären, dass Vampire nun einmal anders waren, dass sie zwar ihre (mehr oder weniger) menschliche Gestalt bewahrten, ihre inneren Funktionen und ihre Persönlichkeit aber radikalen Veränderungen unterlagen. Ich hatte ihm das geglaubt und mir seine Warnungen zu Herzen genommen, größtenteils jedenfalls. Doch sie sahen so menschlich aus, und es war so leicht, ihnen auch ganz normale menschliche Reaktionen und Gefühle zuzuschreiben.
Ich war frustriert, weil Chow und Pam nicht vor der Dämmerung aufstanden und ich nicht wusste, wen - oder was - ich aufschrecken würde, wenn ich tagsüber im Fangtasia anrief. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die beiden im Club wohnten. Ich hatte eher den Eindruck, Pam und Chow bewohnten gemeinsam ein Haus ... oder ein Mausoleum ... irgendwo in Shreveport.
Ich war ziemlich sicher, dass tagsüber menschliche Angestellte zum Saubermachen in den Club kamen, aber Menschen würden (könnten) mir natürlich nichts über die Angelegenheiten der Vampire erzählen. Menschen, die für Vampire arbeiteten, lernten sehr schnell, den Mund zu halten. Das konnte ich selbst bestätigen.
Andererseits hätte ich, wenn ich zum Club fuhr, die Möglichkeit, irgendjemanden von Angesicht zu Angesicht zu sprechen. Und ich hätte die Möglichkeit, die Gedanken eines Menschen zu lesen. Die Gedanken von Vampiren konnte ich nicht lesen, was anfangs übrigens einen Großteil von Bills Anziehungskraft auf mich ausgemacht hatte. Stellt euch bloß diese Erleichterung über absolute Stille vor, nach einem Leben voll akustischer Dauerberieselung. (Und warum konnte ich keine Vampirgedanken lesen? Hier meine eigene Theorie zu dem Thema. Ich bin in etwa so wissenschaftlich gebildet wie eine Salzstange, habe aber einiges über diese Neuronen gelesen, die in unserem Gehirn an den Synapsen
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