Der Vampir der mich liebte
erinnert er sich ganz offensichtlich auch nicht.«
»Sehr gut«, sagte Alcide düster. Er hatte Eric nie mit der nötigen Portion Humor sehen können, so wie ich. Ich war Eric gegenüber immer auf der Hut gewesen, aber seinen Sinn für Unsinn, seine Energie und seinen Charme hatte ich geschätzt.
Wenn bei einem Vampir überhaupt von Lebensfreude die Rede sein konnte, dann hatte Eric massenhaft davon.
»Machen wir uns auf den Weg zum Rudelführer«, sagte Alcide plötzlich sehr viel schlechter gelaunt. Wir standen von unserer Sitzbank in der Nische auf, nachdem er den Kaffee gezahlt hatte, und gingen ohne einen Anruf im Büro (»Wozu bin ich der Chef, wenn ich nicht einfach mal verschwinden kann?«). Dann half er mir in seinen Pick-up, und wir fuhren Richtung Innenstadt. Sicher glaubte Miss Verkniffen jetzt, dass wir in ein Motel oder in Alcides Wohnung verschwunden waren. Doch das war immer noch besser, als wenn sie herausgefunden hätte, dass ihr Chef ein Werwolf war.
Auf der Fahrt erzählte Alcide mir vom Rudelführer der Werwölfe, der ein Colonel der Luftwaffe im Ruhestand war, ehemals stationiert auf dem Luftwaffenstützpunkt Barksdale in Bossier City, das gleich neben Shreveport lag. Colonel Floods einziges Kind, eine Tochter, hatte einen Mann aus Shreveport geheiratet, und so war auch der Colonel hierher gezogen, um in der Nähe seiner Enkel zu sein.
»Ist seine Frau auch ein Werwolf?«, fragte ich. Wenn Mrs Flood ebenfalls ein Werwolf war, wäre auch ihre Tochter einer. Falls Werwölfe die ersten paar Monate überstehen, können sie recht lange leben, solange ihnen kein Unglück zustößt.
»Sie war einer, sie ist vor ein paar Monaten gestorben.«
Alcides Leitwolf wohnte in einem gutbürgerlichen Viertel mit lauter Häusern im Ranchstil auf kleinen Grundstücken. Colonel Flood sammelte gerade Kiefernzapfen in seinem Vorgarten auf. Eine sehr häusliche und friedvolle Tätigkeit für einen wichtigen Werwolf, wie mir schien. In meiner Vorstellung hatte ich ihn in der Uniform der Luftwaffe vor mir gesehen, aber er trug natürlich ganz normale zivile Freizeitkleidung. Sein volles Haar war weiß und sehr kurz geschnitten, und er trug einen Schnurrbart, der mit dem Lineal gezogen sein musste, so gerade, wie er war.
Der Colonel war nach Alcides Anruf sicher neugierig, doch er bat uns ganz entspannt ins Haus. Er klopfte Alcide auf die Schulter und war ausgesprochen höflich zu mir.
Das Haus war ebenso ordentlich gepflegt wie sein Schnurrbart und hätte jeder Inspektion standgehalten.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Kaffee? Heiße Schokolade? Limonade?« Der Colonel wies in Richtung Küche, als ob dort ein Diener parat stünde und nur auf unsere Befehle wartete.
»Nein, danke«, sagte ich, mir schwappte noch der Kaffee von Applebee's im Magen. Colonel Flood bestand darauf, dass wir uns in den Salon setzten, einen ungemütlich schmalen, rechteckigen Raum mit einem Essbereich an dem einen Ende. Mrs Flood hatte anscheinend Porzellanvögel geliebt. Und zwar sehr. Ich fragte mich, wie die Enkel in diesem Wohnzimmer zurechtkamen, und legte meine Hände in den Schoß aus lauter Angst, dass ich sonst etwas umstoßen könnte.
»Was kann ich also für Sie tun?«, fragte Colonel Flood Alcide. »Wünschen Sie meine Erlaubnis, um zu heiraten?«
»Heute nicht«, erwiderte Alcide mit einem Lächeln. »Meine Freundin Sookie hat mir einige wichtige Informationen mitgeteilt. Sehr wichtige Informationen.« Das Lächeln auf seinen Lippen erstarb. »Und sie sollte auch Ihnen unbedingt erzählen, was sie weiß.«
»Und warum sollte ich mir das anhören?«
Mir war klar, dass er Alcide damit fragte, wer ich eigentlich war - wenn er mir zuhören musste, wollte er zumindest wissen, ob ich vertrauenswürdig war. Doch Alcide fühlte sich an meiner Stelle angegriffen.
»Ich hätte sie nicht mitgebracht, wenn es nicht wirklich wichtig wäre. Und ich hätte sie Ihnen nicht vorgestellt, wenn ich nicht mit meinem Blut für sie einstehen würde.«
Ich war nicht ganz sicher, was das bedeutete, interpretierte es aber so, dass Alcide für meine Aufrichtigkeit bürgte und anbot, dafür geradezustehen, wenn ich mich als nicht vertrauenswürdig erwies. Nichts war einfach in der Welt der übernatürlichen Geschöpfe.
»Lassen Sie Ihre Geschichte hören, junge Frau«, sagte der Colonel plötzlich geschäftsmäßig.
Ich erzählte alles, was ich schon Alcide erzählt hatte, nur ohne die persönlichen Angelegenheiten.
»Wo wohnt
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