Der Vampyr
rückte der osmanische Ersatz heran, aber außer Tepeschs Reitern strömten ihnen nun immer mehr ihrer eigenen Landsleute entgegen. Die Nachricht, das der Teufel selbst unter sie gefahren war, machte in Windeseile die Runde. Das also war die tödliche Überraschung, die Tepesch für Selic bereitgehalten hatte, dachte Andrej. Biehler und Körber waren keineswegs zufällig verwundet worden. Sie hatten gewollt, das das geschah, um Furcht und Entsetzen in die Herzen ihrer Feinde zu säen. Andrej war aber noch nicht ganz sicher, ob Tepeschs Rechnung aufging. Immer mehr Türken ergriffen die Flucht, aber die Verstärkung rückte fast mit der gleichen Schnelligkeit heran. Aus schmerzhafter Erfahrung wußte Andrej, das Schlachten nur zu oft eine eigene Gesetzmäßigkeit entwickelten, die jeden noch so genialen Plan zunichte machen konnten. Indessen kämpften sich immer mehr Reiter ihren Weg zu Selics Zelt frei. Plötzlich waren es die Drachenritter, deren Haupt-quartier sich im Herzen des türkischen Lagers befand und die von allen Seiten bedrängt wurden. Viele Osmanen befanden sich immer noch in panischer Flucht, aber der weitaus größere Teil drängte heraus und trieb Tepeschs Reiter dabei vor sich her.
»Was tut er da?«, murmelte Abu Dun stirnrunzelnd. Andrej konnte nur mit den Schultern zucken. Dracul hatte den Mann mit dem auffällig bunten Turban niedergeschlagen, aber offensichtlich nicht getötet. Biehler und Körber hatten den Sultan an den Armen gepackt und hielten ihn nieder, während Dracul heftig mit beiden Armen gestikulierte und Befehle gab. Mit wenigen, schnellen Bewegungen rissen sie Selics Zelt nieder, bis nur noch der drei Meter hohe, mittlere Pfahl stand. Vielleicht hatte Tepesch vor, sein Dra-chenbanner daran zu hissen. Das Zelt war auf einem kleinen Hügel errichtet, sodass die Flagge auf dem ganzen Schlachtfeld zu sehen gewesen wäre. Vielleicht auch Selics Kopf, falls Tepesch ihn enthaupten und darauf aufspießen ließ. Vielleicht aber auch …
»Nein«, flüsterte Abu Dun.
»Das kann er nicht tun! « Aber Tepesch tat es. Während er selbst und die beiden Vampyre Selic niederdrückten, rissen einige seiner Krieger den Pfahl aus dem Boden und schleppten ihn heran. Andrej und die anderen sahen mit wachsendem Entsetzen zu, wie Tepesch selbst, wenn auch mit Hilfe einiger seiner Krieger - den Pfahl herumdrehte und sein blutiges Handwerk begann. Er hatte sich gefragt, wie lange eine solch grässliche Tat dauern würde, und war überrascht, wie schnell es ging. Natürlich war es unmöglich, aber trotzdem bildete er sich ein, Selics grässliche Schreie selbst über den Schlachtenlärm hinweg zu hören. Binnen weniger Augenblicke wurde er gepfählt, dann trugen die Krieger den Pfahl an seinen Platz zurück und richteten ihn wieder auf. Damit endete die Schlacht. Hatte vorher schon die Nachricht die Runde gemacht, das der Teufel selbst auf Tepeschs Seite kämpfte, so erschütterte der Anblick ihres gepfählten Anführers die Krieger endgültig. Wer es bisher noch nicht getan hatte, der ließ spätestens jetzt von seinem Gegner ab und wandte sich zur Flucht.
»Es scheint, als könnten wir euch noch eine Weile am Leben lassen«, sagte Vlad.
»Das ist gut. Ich hätte Dracul ungern eine Lüge aufgetischt, wieso ihr uns entkommen seid.« Andrej war nicht ganz sicher, was er von diesen Worten halten sollte. Ohne das er einen Grund benennen konnte, hatte Vlad eine Menge seiner Sympathien eingebüßt, seit sie ihr Lager auf dem Hügel aufgeschlagen hatten. In einem hatte er jedoch vollkommen Recht: Der Kampf war vorbei. Das Töten würde noch eine Weile andauern, denn Tepeschs Reiter verfolgten nun die flüchtenden Osmanen. Tepesch hatte gewonnen.
»Dieser Teufel«, murmelte Abu Dun. Seine Stimme war flach, fast ohne Ausdruck, und Andrej konnte das Entsetzen in seinem Blick verstehen. Ihm selbst erging es kaum anders. Innerhalb kürzester Zeit waren hunderte von Männern gestorben, und trotzdem ent-setzte ihn der Anblick des gepfählten Heerführers wie kaum etwas anderes. Vielleicht war es auch etwas anderes. Tepesch hatte einfach darauf gebaut, das die unglaubliche Brutalität dieses barbari-schen Akts die Männer unter der Halbmondfahne so entsetzen würde, das er ihren Kampfwillen brach. Seine Rechnung war aufgegangen.
»Wir sollten von hier verschwinden«, schlug Vlad vor. Er machte eine Geste ins Tal hinab.
»Die Heiden sind zwar auf der Flucht, aber ich möchte ungern einem Trupp von ihnen begegnen,
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