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Der Vampyr

Titel: Der Vampyr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unheimlicher Anblick. Sie sahen kaum mehr als ein großes, schwerfälliges Wogen und Gleiten, das sich in vollkommener Lautlosigkeit zu vollziehen schien. Andrej mußte sich mit immer größerer Mühe in Erinnerung rufen, das es nicht nur Schatten und zufällige Bewegungen waren, sondern Menschen. Menschen, die in wenigen Minuten aufeinander prallen und sich gegenseitig töten würden. Sein Blick suchte Dracul und seine beiden unheimlichen Begleiter. Sie ritten an der Spitze des mittleren Zuges. Zwei goldene Funken, die selbst im rasch verblassenden Licht des Abends deutlich zu erkennen waren. Mühsam riss er sich von dem Anblick los.
    »Was?«
    »Tepesch«, erklärte Abu Dun und machte eine entsprechende Geste.
    »Er ist nicht dumm. Er bringt Selic dazu, seine Kräfte aufzuspalten.
    Ich an seiner Stelle würde dasselbe tun. Ich verstehe nur nicht ganz, wieso Selic darauf hereinfällt.«
    »Er ist dort unten und wir hier oben«, sagte Vlad.
    »Er sieht nicht, was wir sehen.« Wieder vergingen etliche Minuten, in denen sie dem Aufmarsch unter sich in gebanntem Schweigen zusahen. Andrej sah nicht, welches Zeichen Dracul seinen Männern gab, aber die drei langen Reihen bisher eher gemächlich dahintra-bender Reiter schwenkten plötzlich herum und wurden gleichzeitig schneller. Es war nicht mehr still. Aus dem Tal drang das Dröhnen hunderter eisenbeschlagener Hufe herauf, und Andrej glaubte fast zu spüren, wie die Erde unter ihnen zu vibrieren begann. Das nur allmählich anschwellende, aber Furcht einflößende Kriegsgeschrei aus dutzenden von Kehlen drang an sein Ohr. Obwohl die Türken den feindlichen Heereszug genau beobachtet hatten, schien die Ü-
    berraschung komplett zu sein. Die drei Abteilungen strebten keil-förmig auf einen Punkt dicht innerhalb des türkischen Heerlagers zu, an dem sie sich vereinigen würden. Sie hatten den größten Teil ihres Weges bereits zurückgelegt, bevor ihre Gegner auch nur auf den Gedanken kamen, eine Verteidigung zu organisieren. Einige wenige Pfeile zischten den Angreifern entgegen und ein paar trafen ihr Ziel, aber sie vermochten den Ansturm der Reiterarmee nicht zu verlangsamen, geschweige denn aufzuhalten. Tepeschs Heer krachte wie eine riesige stählerne Faust in das osmanische Lager und zerschmetterte die hastig aufgebaute Verteidigungslinie.
    »Es ist trotzdem Wahnsinn«, murmelte Abu Dun.
    »Sie werden sie zwischen sich zermalmen.« Er deutete nach Westen.
    Die türkischen Reiter hatten Halt gemacht, als sie bemerkten, was geschah. Sie würden nur wenige Minuten brauchen, um zurückzu-kehren und in den Kampf einzugreifen. Tepeschs Reiterei begann allmählich an Ausdauer zu verlieren. Die Spitze des wieder vereinten Heeres, angeführt von Dracul selbst und seinen beiden gold-schimmernden Begleitern, hatte fast das Zentrum des türkischen Heerlagers erreicht, aber ihr Tempo sank mit jedem Schritt, den sie sich weiter auf das Herz des Lagers, und damit Sultan Selics Zelt, zu kämpften. Die stählerne Wand, die unaufhaltsam vorwärts stürmte und dabei alles niedermachte, was sich ihr in den Weg stellte, begann auseinander zu fallen. Statt eines einzigen gewaltigen Heranstürmens zerfiel die Schlacht in immer mehr einzelne kleine Kämp-fe. Noch wichen die Verteidiger zurück, entsetzt von der Wucht des selbstmörderischen Angriffs, aber sie begannen ihre Fassung zu-rückzugewinnen. Irgendwann würde ihre schiere Übermacht die Entscheidung herbeiführen. Auch Dracul selbst und seine beiden Begleiter wurden immer heftiger attackiert. Sie hatten Selics Zelt, das unschwer an seiner Größe und den zahlreichen bunten Wim-peln und Schilden zu erkennen war, fast erreicht. Andrej vermutete, das Tepesch um jeden Preis den Sultan selbst in seine Gewalt zu bringen versuchte. Vielleicht hoffte er, die Schlacht auf diese Weise entscheiden zu können, bevor die türkische Verstärkung zu ihnen stoßen würde. Selics Krieger kämpften jedoch mit einer Entschlossenheit und einem Mut, die ihresgleichen suchten. Viele wurden von den schwer gepanzerten Pferden einfach niedergeritten und unter ihren Hufen zermalmt, aber die Überlebenden kämpften nur umso verbissener. Noch wichen sie zurück, aber langsam kam der Rückzug zum Erliegen. Andrej sah von der Höhe ihres improvisier-ten Feldherrenhügels aus noch etwas, das Tepesch von seiner Position dort unten aus verborgen bleiben mußte: Das türkische Heer hatte begriffen, welche Gefahr seinem Anführer drohte. Aus allen Richtungen strömten

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