Der Venuspakt
magischen Welt kaum jemanden gab, der sich nicht vor
ihr fürchtete.
«Das ist ein ziemliches Schlamassel», sagte er vertraulich.
Die Fee verzog ihr Gesicht, als wollte sie gleich weinen, und Sin fuhr hastig
fort: «Ich habe eine Idee. Wenn du erlaubst?»
Sterbliche, die Anvea weinen hörten, wurden taub oder wahnsinnig. Sin
hatte nicht selten noch tagelang Kopfschmerzen, wenn er das Missvergnügen
gehabt hatte, ihr lautes Jammern und Klagen ertragen zu müssen, und war
froh, als sie ihn hoffnungsvoll aufforderte: «Lass hören!»
«Du könntest der kleinen Fee ein wenig helfen. Sie wäre dann in der Lage,
Senthil zu besiegen.»
Anvea sah ihn interessiert an.
Eilig sprach er weiter. «Tatsächlich weiß ich aus sicherer Quelle, dass Kier-
an, der berüchtigte Vengador, ihr Seelenpartner ist, und das zweite Siegel be-
reits gebrochen wurde.»
«Du meinst, sie ist längst ein Kind der Dunkelheit?»
Sin nickte.
«Senthil hat nichts davon erwähnt!», sagte sie anklagend.
«Er ist nicht gerade für seine Aufrichtigkeit bekannt», gab Sin zu bedenken.
«Das erkenne ich nun auch. Oh je, und er befehligt die Sicarier!»
Sin wusste, dass Anvea sich eine Gruppe von Terroristen herangezogen hat-
te, die, gut trainiert, jedes Land in kürzester Zeit ins Unglück stürzen konnten.
Mit derlei Spielchen vertrieb sie sich jüngst häufig die Zeit. «Seit wann sind
Sicarier denn Vampire?», fragte er misstrauisch.
«Das war Senthils Idee. Er hat junge Vampire rekrutiert. Verrückt, nicht
wahr?», sie lachte nervös und Sin ahnte, dass ihm dies noch eine Menge Sche-
rereien bereiten würde. «Da haben diese jungen Leute die Ewigkeit vor sich
und wollen doch alles hier und jetzt! Die meisten von ihnen hat übrigens dein
Kieran ziemlich übel zugerichtet oder sogar getötet. Ich mag den Mann», lä-
chelte die gefürchtete Kriegsfee und zeigte dabei eine Reihe spitzer Zähne –
jeder einzelne messerscharf und tödlich.
«Du würdest auch seine Seelenpartnerin mögen. Sie ist eine talentierte
Kämpferin!»
Anvea erhob sich von ihrem Lager und Sin stand ebenfalls auf.
«Ich bin sicher, der Bessere wird gewinnen, meinst du nicht auch?», frag-
te sie Sin und legte vertraulich ihre Hand auf seinen Arm. «Eine ernsthafte
Auseinandersetzung zwischen den beiden Alpha-Vampiren war früher oder
später sowieso zu erwarten. Kieran wird einen Weg finden, das Problem zu
lösen!» Er war entlassen.
Großartig. Sie verlangte also Neutralität von ihm. Sin wusste, dass es kei-
nen Zweck haben würde, mit Anvea zu verhandeln. Die Zeit drängte und so
beugte er höflich seinen Kopf. Wann würden diese arroganten Elben endlich
begreifen, dass sie nicht das Maß aller Dinge waren und anderen nicht einfach
so Befehle zu erteilen hatten, fragte er sich.
Als er ihre Villa bereits weit hinter sich gelassen hatte, hörte er Anveas amü-
sierte Stimme in seinem Kopf: «Ah, aber wir sind die unterhaltsamsten von
allen. Frag doch die Sterblichen, warum sie immer noch unsere Geschichten
lesen!» Sie lachte. «Falls du wissen möchtest, wo Senthil das Mädchen ver-
steckt hält, dann frage Kieran – er kennt die Gegend sehr gut.»
Sin sandte der Fee das Bild einer eleganten Verbeugung und nahm sich ins-
geheim vor, niemals den Fehler zu begehen, Anvea zu unterschätzen. Ninsun, wo ist sie?
Ich weiß es nicht!
Erstaunt beobachtete Sin, wie Ninsun vor ihm Gestalt annahm. Wie immer,
wenn er die zierliche Erscheinung seiner Begleiterin erblickte, verschlug es
ihm beinahe den Atem. Ihre Augen glänzten wie Sterne und ihre Lippen wa-
ren so rot und süß wie reife Kirschen, die jeden, der sie erblickte, verführten,
davon zu kosten, dachte Sin sehnsüchtig und musste über seine trivialen Ver-
gleiche schmunzeln. Zum Lyriker war er gewiss nicht geboren.
«Mir hat es gefallen!», grüßte sie ihn zärtlich, schlang ihre Arme liebevoll
um seine Taille und blickte in das vertraute Gesicht hinauf. «Nuriya hat mich
ausgesperrt!», flüsterte sie und ihre spitzen Ohren zitterten nervös.
Sin zog sie näher heran. Er hätte sie jetzt gerne geküsst und genoss diesen
Moment der Nähe. «Du hast einen schlechten Einfluss auf mich!», seufzte er
schließlich frustriert und löste sich behutsam aus ihrer Umarmung.
Das verführerische Wesen begleitete ihn schon seit einer Ewigkeit und er
hatte sich inzwischen angewöhnt, sie als eine gute Freundin und zuverlässige
Gefährtin zu sehen. Aber er war kein Heiliger, und sie
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