Der Venuspakt
konnte eine geschickte
Verführerin sein. Da war es auch wenig hilfreich, dass Ninsun jedwede Gestalt
anzunehmen vermochte, die sich ihr Gegenüber erträumte, und sie Sins ge-
heime Neigungen genau zu kennen schien. Mittlerweile zeigte sie ihm jedoch
ihre tatsächliche Gestalt, was ihrer Anziehungskraft keinen Abbruch tat. Im
Gegenteil.
Bedauernd kehrte Sin aus seinen Tagträumen zurück. «Wie ist es Nuriya
gelungen, dich aus ihren Gedanken zu verbannen?»
«Ich habe keine Ahnung.» Eine steile Falte erschien zwischen ihre Brauen.
«Ich habe sie nie für undankbar gehalten!»
«Du hast ihr viel beigebracht in den letzten Jahren, Ninsun. Dein Schütz-
ling scheint flügge zu werden.»
«Wenn es das nur wäre. Sie ist aber immer noch nicht bereit ihre Magie
wirklich anzunehmen und von Kieran will sie offenbar überhaupt nichts
mehr wissen. Was ich ihr nicht verübeln kann, nachdem er sie so schlecht
behandelt hat», grollte Ninsun vorwurfsvoll.
«Er ist wenig kooperativ, das gebe ich zu.»
«Nicht kooperativ? Das kann man wohl sagen. Dieser Vampir ist ein herzlo-
ser Kerl, der nicht weiß, was gut für ihn ist!»
«Ninsun!»
«Ich bin schon still! Er hat auch durchaus seine guten Seiten – dieser kna-
ckige Hintern ist zweifellos einzigartig!», kicherte sie und verschwand in ei-
nem regenbogenfarbenen Wirbel.
«Genug!», knurrte Sin und wunderte sich über den Anflug von Eifersucht,
den er bei ihren Worten verspürt hatte. ›Knackiger Hintern‹, seit wann legte
Ninsun Wert auf solche Details? Wie geht es der dritten Schwester? Estelle? Sie hat keine Ahnung!
Fröhliches Lachen umhüllte seine Gedanken zärtlich, und sofort fühlte er
sich besser.
Ich habe eine Vermutung, wohin Senthil sie verschleppt haben könnte. Allerdings
muss ich das mit Kieran noch abklären.
Dann eile dich! Er wird nicht mehr lange warten! , warnte Ninsun.
Sin erinnerte sich, dass die Zeit für ihn vermutlich anders vergangen war als
in dieser Welt. Wie spät ist es? , fragte er drängend und Ninsun bestätigte seine
Befürchtungen. Die Sonne war hier bereits vor einer Stunde untergegangen.
«Endlich!» Kieran lief ungeduldig auf und ab. Seine Freunde blickten eben-
falls gespannt auf Sin, der sich wie immer unerwartet und geheimnisvoll aus
den Schatten löste.
«Wo ist Nuriya?»
«Es gibt eine schottische Burg ...», begann Sin, als Kieran ihn bei den Schul-
tern fasste.
«Ist sie dort? In meinem eigenen Land!» Empört trat er einen Schritt zurück.
Der erste Impuls Kierans war, sofort durch die Zwischenwelt zu Nuriya zu ei-
len. Aber das wäre wohl ein wenig voreilig. Sein Land war groß und Burgen
gab es dort mehr als eine.
«Zweifellos hat Senthil ein paar unangenehme Fallen aufgestellt», bemerk-
te Sin kühl und ließ dabei einen Blick über Donates und seine Familie gleiten.
Rechtzeitig erinnerte er sich, auch Erik und Selena in diese Warnung mitein-
zubeziehen. Ninsun lächelte, und in Sins Kopf fühlte sich das an wie ein herr-
licher Sommermorgen. Meine Güte, willst du mir den Verstand rauben? Vielleicht später einmal!, neckte sie übermütig.Diesmal glaubte er, ihre Lip-
pen auf seinem Mund zu spüren und hielt überrascht den Atem an.
«Was ist los mit dir?» Kieran blickte fragend in das verträumte Gesicht des
Lehrers und Sin bemühte sich, seine Aufmerksamkeit ganz dem vorliegenden
Problem zu widmen.
Sie besprachen ihre Strategie. Kieran kannte ein paar verlassene Burgen
und Ruinen, die sich als Versteck durchaus eigneten, und Sin erzählte von den
Sicariern, die vermutlich irgendwo in der Nähe von Senthils Refugium lauer-
ten. Sie zumindest müssten zu spüren sein.
Kieran überlegte kurz, dann traf er seine Entscheidung. «Asher hat verspro-
chen, Estelle vor Übergriffen zu schützen. Ihr Winterfelds kümmert euch um
Selena. Erik ...»
«Ich werde mit dir gehen.»
Kieran sah ihn fragend an.
«Wenn jeder magische Kontakt unterbrochen ist, wirst du vielleicht die
Nase eines Wolfes gebrauchen können. Außerdem rechnet Senthil nur mit
Vampiren, das könnte ebenfalls ein Vorteil sein.»
«Bist du dir darüber im Klaren, dass es sehr gefährlich ist?» Kieran war über-
rascht. Mit einem derartigen Angebot hätte er niemals gerechnet, besonders
da Lykanthropen und Vampire nicht immer die besten Freunde waren.
Der Werwolf warf einen kurzen Blick auf seine Geliebte und lächelte. «Ich
tue es für Selena. Ich könnte ihr nie wieder in die Augen sehen, wenn ich nicht
alles
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