Der Venuspakt
hinab und schien ihre Beine, die eigentlich bereit zur
Flucht waren, zu lähmen. Bisher hatten sein jungenhaftes Grinsen und die
Zärtlichkeit im Umgang mit Angelina sie glauben lassen, er wäre ein umgäng-
licher, im Vergleich zu Kieran harmloser Typ. Nun fixierten sie stahlblaue
Augen, bis sie begann am ganzen Körper unkontrolliert zu zittern und jeder
Gedanke in ihrem Kopf zu eisigem Schmerz erstarrte.
«Donates, hör sofort damit auf!» Die sonst immer freundliche Stimme An-
gelinas klang schneidend und sie hob ihre Hand, als wollte sie dem wütenden
Vampir mit dieser Geste Einhalt gebieten.
Zu Nuriyas Erleichterung gelang ihr das nach bangen Sekunden des Hoffens
auch. Befreit von seinem Blick, sackte sie kraftlos zusammen und begann leise
zu weinen.
Donates fuhr mit der Hand durch sein langes Haar. «Sie muss endlich be-
greifen, dass dies kein Spiel ist!»
Jetzt mischte sich Selena ein, die bisher sprachlos das Schauspiel vor ihren
Augen verfolgt hatte. «Wie sollen wir denn verstehen, was vor sich geht, wenn
niemand uns die Wahrheit erzählt?», fragte sie empört.
Liebevoll half sie der Schwester auf und führte sie zu einem Sessel. Selena
hockte sich auf die Lehne und strich Nuriya beruhigend über ihren Rücken.
Die anderen setzten sich ebenfalls. Nur Erik blieb dicht bei Selena stehen.
Seine geliebte Fee erfüllte ihn mit großem Stolz. Sie war sich nicht bewusst,
wie viel Mut es brauchte, um so mit einem mächtigen Vampir zu reden. Sie
hatte die Courage einer souveränen Tochter aus dem Reich des Lichts und
lernte von Tag zu Tag mehr, ihren Instinkten zu trauen.
Donates räusperte sich und war deutlich um einen versöhnlichen Ton be-
müht, als er fragte: «Du bist also Sin begegnet?»
Nuriya nickte, nestelte nach einem Taschentuch und trocknete ihre Augen.
Blutrote Flecken tränkten den Stoff. Sie konnte lange den Blick nicht davon
wenden. Dann riss sie sich zusammen und erzählte stockend, wie sie sich un-
bemerkt aus dem Haus geschlichen hatte, um sich und allen anderen zu be-
weisen, dass sie auch ohne Kieran sehr gut zurechtkam. Dass sie ihm beinahe
begegnet war, verschwieg sie jedoch. Leise berichtete die junge Vampirin von
ihrer ersten eigenen Jagd. Erst als sie geendet hatte, blickte sie auf und glaubte
einen Moment lang Anerkennung in Donates’ Augen schimmern zu sehen.
«Und weiter?», fragte er mit unbeteiligt klingender Stimme. Er ist keinen Deut besser als Kieran! , dachte Nuriya unglücklich und drehte
das Taschentuch in ihren Händen, wie es sonst nur Selena tat. Folgsam be-
richtete sie, wie Sin aufgetaucht war und ihr mitgeteilt hatte, sie bereits seit
ihrer Geburt zu kennen. Ninsun erwähnte Nuriya nicht, es wäre ihr wie Verrat
an einer alten Freundin vorgekommen. Als Lohn spürte sie einen warmen,
schmeichelnden Hauch auf ihren Wangen und merkte, wie ihre Muskeln sich
allmählich entspannten.
«Er wollte mir erklären, was mit mir geschieht, doch dann schien er es
sich anders überlegt zu haben und plötzlich stand ich hier zwischen euch!»,
schloss sie ihre Geschichte.
Donates wählte seine Worte sorgfältig. «Du musst wissen, kaum jemand
von uns ist Sin jemals begegnet. Einige halten seine Existenz lediglich für eine
Legende, andere halten ihn für einen Dämon. Eines ist sicher. Was immer du
ihm versprochen hast, du tust gut daran, dieses Versprechen zu halten!»
Nuriya sah Donates mit weit aufgerissenen Augen an.
«Man kann es aber auch positiv sehen», warf Angelina ein. «Wenn sie un-
ter seinem persönlichen Schutz steht, wird es verdammt schwierig sein, ihr
etwas anzutun.»
«Oder sie hat diesen Schutz bitter nötig!», gab Erik zu bedenken.
«Also gut», grollte Donates, «eigentlich sollte Kieran diese Aufgabe über-
nehmen, aber ich werde dir erzählen, was ich weiß. Das ist bei weitem nicht
alles, denn wir ...», er zeigte auf Angelina, «sind nur zufällig in diese Sache
hineingeraten.»
Nachdem er ihr von der Geschichte des Friedensvertrages zwischen dem Fe-
enreich und den Vampiren erzählt hatte, schwieg Nuriya eine ganze Weile.
«Das ist doch noch nicht alles», sagte sie schließlich. «Ich will jetzt nicht
davon sprechen, wie archaisch ich die Idee finde, dass da einfach jemand aus-
gewählt wird, der auf Gedeih und Verderb mit einem vermeintlichen Seelen-
partner ein Ritual durchführen muss, das die beiden für immer – und ich rede
hier von ›immer‹, wie in ›Ewigkeit‹ – aneinander bindet. Ganz
Weitere Kostenlose Bücher