Der Venuspakt
zu. Den anderen schloss Asher an einer Infusi-
onsnadel an, die bereits in Viviannes Armbeuge steckte. Dann öffnete er das
Ventil.
Kierans Herz krampfte sich beim Anblick seiner totenbleichen Schwester
schmerzhaft zusammen. Genau so hatte Nuriya erst vor wenigen Tagen in sei-
nem eigenen Bett ums Überleben gekämpft. Er machte sich nicht die Mühe,
seinen Drink zu erwärmen, sondern riss den Beutel auf und trank ihn mit we-
nigen Schlucken leer. Asher folgte ihm aus dem Schlafzimmer hinaus in die
offene Appartementküche und beobachtete, wie Kieran einen weiteren Liter
aus dem Kühlschrank nahm und ihn hinunterstürzte. Kierans Bruder angelte
mit dem Fuß einen Hocker herbei und lehnte sich dann über die Esstheke,
begierig, seine Geschichte endlich zu erzählen.
«Normalerweise treffe ich mich immer mit Vivianne, wenn ich in der Stadt
bin. Um aber keine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, habe ich ihr diesmal
gesagt, dass ich vorerst keine Zeit hätte, sie zu sehen. Glücklicherweise sind
zurzeit Modewochen und sie hat viel zu tun. Du kennst sie ja!»
«Sie liebt ihren Beruf und das Wort ›Nein‹ existiert nicht in ihrem Wort-
schatz!» Und nun hing sie bleich am Tropf. Sein Magen zog sich zusammen
– wer immer das getan hatte, schwor Kieran sich, würde mit seinem Leben
dafür bezahlen! «Weiter!», knurrte er.
«Ich war nicht sonderlich beunruhigt, als sie trotzdem Kontakt aufnahm
und sagte, es ginge etwas Merkwürdiges vor sich und ich solle unbedingt nach
Feierabend in der Agentur vorbeikommen. Ich bin dann, wie vereinbart, ge-
gen zehn Uhr dort gewesen; alles war schon dunkel. Sofort ist mir die Aura
von Vampiren aufgefallen, die sich kurz zuvor in der Nähe aufgehalten haben
mussten.»
«Wie viele?», fragte Kieran scharf.
«Drei, vielleicht vier. Nicht besonders alt, keine geborenen Vampire.»
Kieran musste wider Willen lächeln. Sein Bruder hatte zwar einen Hang zu
umständlichen, blumigen Erzählungen, aber er war ein scharfer Beobachter
und, wenn erforderlich, immer noch ein erstklassiger Vengador.
«Vivianne konnte ich fast nicht mehr spüren. Und dann lag sie da.» Der
Vampir schluckte, als er sich an die kleine Gestalt auf der Fußmatte ihres Bü-
ros erinnerte. «Darum habe ich dich gerufen. Zwei Anschläge auf unsere Fa-
milie innerhalb so kurzer Zeit – das kann kein Zufall sein.»
Kieran fuhr sich mit der Hand durch sein Haar. «Es ist alles meine Schuld!
Sie wollen die Erneuerung des Venuspakts verhindern.»
«Indem sie dich und Vivianne angreifen?», fragte Asher irritiert. «Niemand
weiß, dass Vi eine geborene Vampirin und unsere Schwester ist!»
«Das brauchen sie auch gar nicht. Unser freundschaftlicher Umgang ist
kein Geheimnis und sie versuchen mit allen Mitteln, mich daran zu hindern,
das abschließende Ritual mit der Auserwählten zu vollziehen!»
«Wie bitte?» Asher sprang beinahe von seinem Hocker und starrte Kieran
einen Moment lang wortlos an. «Dann ist Nuriya also doch deine Seelenpart-
nerin!», stellte er schließlich verwundert fest. «Aber wer weiß noch davon?»
«Ich habe keine Ahnung. Anfangs wollte ich selbst nicht daran glauben»,
gab Kieran zu, «doch die Zeichen sind zu deutlich. Ich bin der Einzige, der
mit ihr von Anfang an jederzeit mental kommunizieren konnte – und immer
noch kann. Obwohl sie sich vehement gegen ihre Magie wehrt!»
«Wundert dich das? Nach einer derart hastigen Transformation?»
«Was hätte ich denn tun sollen? Ich hätte sie niemals sterben lassen. Sie ist
meine Seelenpartnerin und wir träumen zusammen.» Kieran dachte an die
erotischen Begegnungen, die er mit Nuriya in seinen Träumen gehabt hatte.
«Aha, so wie du schaust, kann ich mir denken, was das für Träume sind!»
Asher gab sich den Anschein wohlanständiger Entrüstung. Dann lachte er
und schlug dem jüngeren Bruder wohlwollend auf die Schulter. «Natürlich,
der Vengador-Meister angelt sich die Auserwählte. Herzlichen Glückwunsch,
kleiner Bruder!»
«So einfach ist das nicht. Nuriya hasst mich.»
«Wie kommst du denn auf diese Idee? Ich erinnere mich, dass sie bereits bei
eurer ersten Begegnung mit dir geflirtet hat.»
«Die Transformation ...», sagte Kieran tonlos. «Sie wehrt sich gegen ihr
Schicksal. Und dann hatten wir einen Streit – sie hat mit einem Sterblichen
geflirtet!», fügte er entrüstet hinzu.
Asher bemühte sich angestrengt, das aufwallende Lachen in seiner Kehle zu
unterdrücken, und fragte gepresst:
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