Der Venuspakt
deinen Atem! Die ruhige Stimme ihrer Beschützerin Nin-
sun drang durch das Chaos und Nuriya klammerte sich einen Augenblick da-
ran wie eine Ertrinkende.
Du schaffst das, Kätzchen!
War das Kieran in ihrem Kopf? Fragend blickte sie zu ihm auf, doch er
schien sie überhaupt nicht wahrzunehmen. Nuriya straffte ihre Schultern
und schaute sich erneut um. Deutlich erkannte sie nun auch eine große Grup-
pe von Feen, deren Regenbogen-Aura sie an ihre geliebte Mutter erinnerte. Ihr
Volk. Sie würde ihrem Volk keine Schande bereiten! Scharf zog sie die Luft ein
– und dieses Geräusch reichte aus, um alle Gespräche verstummen zu lassen.
Selbst die Musik verklang in einem letzten Akkord und alle schauten zu ihr
hinauf.
Nuriya hob ihr Kinn noch ein wenig höher, atmete behutsam aus und be-
gann, die Stufen hinabzuschreiten. Jetzt war sie froh, dass sie sich in letzter
Minute zu den hohen Schuhen hatte überreden lassen, denn mit jedem Schritt
fühlte sie sich stolzer und begehrenswerter.
Ein leises Lächeln umspielte Kierans Lippen. Nuriya hatte allein durch ihre
bloße Erscheinung diese Horde von Ungeheuern bezaubert. Und ihre Haltung
zeugte von Selbstvertrauen und Adel. Ein Blick ins Publikum bestätigte ihm,
dass der Auftritt gelungen war. Donates nickte ihm zu. Die Menge teilte sich
vor ihnen, hoheitsvoll schritt die kleine Gruppe der wartenden Órla entge-
gen.
Plötzlich fiel Nuriya ein, woran sie die Clubbesitzerin erinnerte. An einen
Piranha. Órla ähnelte tatsächlich einem dieser kleinen, gemeinen Raubfische.
Rasch bemühte Nuriya sich, das in ihr aufsteigende, hysterische Kichern zu
unterdrücken. Ein keuchender Laut entwich ihren zusammengepressten Lip-
pen allerdings und sie erntete einen strengen Blick von Kieran. Hatte er ihre
Gedanken etwa erraten?
Die ahnungslose Gastgeberin nahm sie mit dem üblichen kühlen Lächeln
in Empfang und führte sie zur Bühne. Dabei zischte sie Kieran verärgert zu:
«Ich kann sie nicht spüren – was ist das Mädchen? Feenkind, Zauberin oder
Vampir?»
«Sie ist die Auserwählte.»
Órla hätte Kieran am liebsten für seinen gleichgültigen Ton geschlagen.
Längst ahnte sie, dass der Vengador mehr als nur ein professionelles Interesse
an dem Mädchen hatte. Sie beschloss, dass dieses Spiel auch von zwei Spielern
beherrscht werden konnte. «Fein. Wir suchen also noch ihren Seelenpartner.
Die Horde dort unten wird sich freuen.»
Ein heißer Blitz der Eifersucht schoss durch Kierans Körper. Dennoch senk-
te er seinen Kopf kurz zustimmend, bevor er Nuriya am Ellenbogen fasste und
zu ihrem Platz begleitete.
Órla lächelte wissend. Insgeheim war sie dankbar, dass es ihr inzwischen
gelungen war, wenigstens ein paar Dinge über Nuriya in Erfahrung zu brin-
gen. Sie wandte sich dem gespannten Publikum zu: «Ihre Mutter lebte einst
als Beraterin am Hofe des Lichts und die Feenkönigin war sehr betrübt, als ihre
enge Vertraute nicht mehr aus der Welt der Sterblichen zurückkehrte.»
Ein Raunen ging durch die Menge und interessiert rückten die Zuschauer
näher.
«Ihr Vater war ein Sterblicher. Aber alles weist darauf hin, dass auch in
seinen Adern Elfenblut floss. Gewiss ist, dass diese Verbindung ein außer-
gewöhnliches Geschöpf hervorgebracht hat. Es ist mir eine besondere Ehre,
euch heute die Auserwählte vorstellen zu dürfen: Nuriya!»
«Pass auf, gleich muss ich aufstehen und sie begutachten meine Zähne»,
flüsterte Nuriya Donates zu.
Der grinste: «Ich wäre überrascht, wenn sich irgendjemand für deine Zäh-
ne interessiert, wenn es so viele andere charmante Körperteile zu bewundern
gibt.»
«Macho!»
Ehe Donates ihr antworten konnte, hörten sie Órla sagen: «Würdest du mir
nun die Freude machen und zu mir kommen?»
«Habe ich es nicht gesagt!», zischte Nuriya und erhob sich mit einem aufge-
setzten Lächeln.
Órla hielt ihre Hand erwartungsvoll ausgestreckt, aber das Feenkind igno-
rierte diese einladende Geste. Als sie neben ihrer Gastgeberin stand, knurrte sie
zwischen lächelnd zusammengebissenen Zähnen: «Wenn diese peinliche Show
nicht bald vorüber ist, dann könnt ihr die ganze Venuszeremonie vergessen.»
Diese Sterbliche hatte einen eigenen Willen, dachte Órla überrascht. Und
das, obwohl offenbar kein Funken Magie in ihren üppigen Formen steckte.
Diese Entdeckung brachte sie für einen Moment aus dem Konzept. Doch
rasch fasste sie sich wieder und verkündete: «Begrüßt mit mir Lady Nuriya,
die
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