Der Venuspakt
aus seinem wirren grauen Haar her-
vorlugten.
«Seit 300 Jahren tot?» Nuriya legte den Kopf schräg, als überlegte sie. «Oder
eher seit 350 Jahren!»
«Nicht ganz. – Und sie?»
«Die Dunkle dort, mit den bizarren Flügeln? Die schätze ich auf höchstens
zwanzig und sehr sterblich.»
Nik lachte so laut, dass sich einige Gäste nach ihnen umsahen und gluckste
schließlich: «Die Kandidatin hat null Punkte!»
Fragend schaute Nuriya Erik an, der dazugekommen war und ebenfalls breit
grinste. Er beugte sich zu ihr herab und flüsterte: «Vereinzelt hat man schon
von Leuten gehört, die ihre Aura verbergen können!» Dann schlug er Nik auf
die Schulter und verschwand mit den Worten: «Sag du’s ihr!»
«Okay, der Typ, der so aussieht, als wäre er gerade seiner Gruft entstiegen,
ist ein Sterblicher.»
Nuriya wagte es nicht, ihre Sinne zu öffnen, um Niks Behauptung zu über-
prüfen, deshalb nickte sie nur.
«Das Mädel aber dürfte so etwa 500 Jahre auf dem Buckel haben.» Er prostete
der Frau zu und lachte: «Hey, Lisa! Seit wann bist du aus New York zurück?»
Die so angesprochene kam herbei und warf Nik einen schmachtenden Blick
zu. Nun konnte Nuriya die Dunkelheit spüren, die sie umgab, und machte in-
stinktiv einen Schritt zurück.
«Du brauchst keine Angst vor ihr zu haben. – Nicht wahr, du wirst doch die
Auserwählte nicht rösten?»
Lisa machte große Augen. «Natürlich nicht! Sie hat so schöne rote Haare!»
Nik strich dem Mädchen zärtlich über einen ihrer Flügel, der aus der Nähe
aussah, als wäre er aus glänzendem Leder gefertigt. «Sie sind ein wenig ge-
wachsen – oder täusche ich mich da?», schmeichelte er. Nuriya bekam den
Eindruck, dass die beiden sich näher kannten, denn unter seiner Berührung
fing der Flügel ein wenig zu zittern an und Lisas Pupillen bekamen einen selt-
samen, roten Schimmer, als sie dem jungen Vampir tief in die Augen blickte
und mit kindlicher Stimme fragte: «Gefallen sie dir?» Ohne eine Antwort ab-
zuwarten, freute sie sich: «Oh, sie spielen mein Lieblingslied!», und lief davon.
Kurz vor der Tanzfläche drehte Lisa sich noch einmal um und winkte Nuriya
fröhlich zu, bevor sie endgültig in der Menge verschwand.
«War das deine Freundin?»
«Aber nein! Sie ist ein Drachenkind und viel zu jung», erklärte Nik, als wäre
dies das Natürlichste auf der Welt. «Außerdem hat sie einen sehr strengen Va-
ter.»
«... der selbstverständlich auch ein Drache ist», seufzte Nuriya.
«Es ist anfangs alles etwas überwältigend», gab Nik zu, «aber du wirst dich
rasch einleben! Himmel, dort drüben sind Jeanne und Shamina. Dann ist Syl-
vain auch nicht mehr weit!» Vergeblich versuchte er, die Aufmerksamkeit der
beiden Frauen zu erlangen. «Warte hier, ich bin gleich zurück, du musst unbe-
dingt meine Familie kennen lernen!»
Eine Zeit lang stand sie einfach nur da und beobachtete mit wippendem Fuß
die Tanzenden. Immer wieder schaute sie sich zwischendurch suchend nach
Kieran um. Sie war ziemlich erschöpft von der Anstrengung, ihre vampiri-
sche Natur zu verheimlichen, und ganz zufrieden, dass Nik noch nicht wieder
aufgetaucht war. Wen würde er ihr als Nächstes vorstellen? Einen Dämon? Danke, Ninsun! Ohne dich würde ich das alles hier nicht durchstehen. Sie spürte
das Lächeln in ihrem Kopf und schloss kurz die Augen, um den Frieden zu
genießen. Als sie sie wieder öffnete, stand ein Unbekannter vor ihr. «Du musst
schnell kommen. Etwas Schreckliches ist geschehen!»
Nuriya blickte sich nach ihren Freunden um, aber in diesem Augenblick
entstand ein ungeheures Gedränge, denn das Buffet wurde eröffnet. Sie konn-
te gerade noch sehen, wie Angelina von der Menge einfach weitergeschoben
wurde.
«Was ist passiert?», fragte sie beunruhigt. Der Mann drehte sich um, als
wollte er sich vergewissern, dass niemand sie hören konnte, und flüsterte
dann: «Kieran ist überfallen worden – er ist schwer verletzt.»
«Wo sind die anderen?», fragte Nuriya aufgeregt und schaute sich suchend
um.
«Donates sagt, wir sollen niemandem etwas davon erzählen. Er schickt
mich, um dich zu ihnen zu bringen.»
Kieran! , sandte sie in ihrer Angst einen Gedanken aus. Vergeblich versuchte
sie Kontakt mit ihm aufzunehmen. Kieran! Was ist geschehen? Sie erhielt kei-
ne Antwort und es fühlte sich an, als hielte der Vengador sie bewusst fern.
Möglicherweise war er schwerer verletzt, als sie im ersten Augenblick gedacht
hatte, und
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