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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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gesprochen?«
    »Das nicht, aber ich habe ihm angemerkt, dass es ihm auf der Seele lag. Ein angenehmer Herr, immer höflich und nie ungehalten.«
    »Kannten Sie auch seine Frau?«
    Mrs. Clare nickte. »Kurz nach der Hochzeit sind sie einmal gemeinsam für einige Tage hier gewesen. Er wirkte sehr verliebt.«
    Charlotte bemerkte, dass sie in der Einzahl gesprochen hatte, und fragte sich, wie weit sie gehen konnte, ohne unangemessen neugierig zu wirken. Mrs. Clare nahm ihr die Entscheidung ab.
    »Ihre Ladyschaft war sehr still, vermutlich schüchtern. Das ist ja auch verständlich, wenn man gerade erst … Nun, sie war noch sehr jung.« Mrs. Clare verstummte und wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Verzeihung, ich wollte nicht einfach daherplappern.«
    »Ich bin immer froh, wenn ich Menschen treffe, die Emilys Mutter gekannt haben«, sagte Charlotte schnell. »Es hilft mir, Emily besser zu verstehen.«
    »Ach so«, sagte Mrs. Clare erleichtert. »Mein verstorbener Mann hat immer gesagt, Elsie, du redest zu viel. Aber manchmal geht es einfach mit mir durch. Jedenfalls hat Sir Andrew seine Frau sehr geliebt, das konnte jeder merken. Wenn er zu einer Gesellschaft eingeladen war, wirkte er immer bedrückt, weil sie ihn nicht begleiten konnte. Natürlich hat er es mir gegenüber nicht erwähnt. Und wenn er selbst Gäste einlud, waren es fast immer Herren aus der Politik, so als wäre es ihm unangenehm, keine Dame an seiner Seite zu haben, die als Gastgeberin auftrat.«
    »Das kann ich mir gut vorstellen«, sagte Charlotte, insgeheim entzückt über die Redseligkeit der Haushälterin. »Es muss entsetzlich für ihn gewesen sein, seine Frau zu verlieren, nachdem den beiden so wenig Zeit miteinander vergönnt war.«
    Ich klinge wie ein schlechter Roman, dachte Charlotte belustigt und fragte sich unvermittelt, was Mr. Ashdown wohl davon gehalten hätte.
    »Das ist wahr«, sagte die Haushälterin mit ernster Miene. »Aber es ist schön zu sehen, dass das Mädchen jetzt gesund ist. Er war immer in Sorge um sie. Sie wird ihm sicher ein großer Trost sein.«
    »Emily ist ein besonders liebenswertes Kind«, entgegnete Charlotte aufrichtig. Sie wäre gern noch einmal auf Lady Ellen zu sprechen gekommen, durfte aber nicht zu vertraulich werden.
    »Würden Sie mir bitte das Hausmädchen vorstellen, damit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe?«
    »Selbstverständlich, Miss.«
    Sie eilte davon und kam mit einem rundlichen Mädchen zurück, das einen Knicks machte. »Das ist Lizzie, Miss. Stell dich vor, Lizzie.«
    Der Londoner Dialekt des Mädchens war ausgeprägt, und Charlotte musste sich anstrengen, um es zu verstehen. »Lizzie, bemühe dich, anständiges Englisch zu sprechen. Du weißt, was Sir Andrew davon hält.«
    Das Hausmädchen wurde rot und nickte. »Ja, Miss. Ja, Mrs. Clare.«
    Charlotte lächelte sie an. »Bitte sorge dafür, dass mein Wohnzimmer jeden Morgen gut geheizt ist, bevor wir mit dem Unterricht beginnen.«
    »Ja, Miss.«
    Als Emily ihre Aufgaben tadellos erledigt hatte, zogen sie sich gegen halb drei warm an und begaben sich auf ihren Spaziergang. Charlotte wollte rechtzeitig zum Tee zurück sein; außerdem wurde es früh dunkel und kalt. Als sie gerade dabei waren, die Wohnung zu verlassen, wurde ein Telegramm abgegeben.
    »Für Sie, Miss.«
    Charlotte sah das Mädchen, das ihr ein silbernes Tablett mit dem Telegramm hinhielt, überrascht an.
    »Danke.« Sie öffnete es und überflog die Zeilen, worauf sich ein Lächeln in ihr Gesicht stahl.
    Gute Gegend für Literaturliebhaber. Mary Shelley wohnte nebenan. Empfehle Frankenstein als Nachtlektüre, falls nicht zu schreckhaft. Erlaube mir, morgen bei Ihnen vorzusprechen. Gruß, T. A.
    Der Mann schien ein Hellseher zu sein. Sie hatte von dem Roman gehört, ihn aber nie gelesen. Vielleicht wäre es an der Zeit, dies zu ändern.
    Draußen wurden sie von einem heftigen Wind begrüßt, der welkes Laub zum Tanz aufforderte und ihre Schals flattern ließ. Emily hüpfte auf einem Bein den wirbelnden Blättern hinterher. Wieder kam Charlotte der Gedanke, dass das Mädchen in London wie befreit wirkte.
    Nach einigen Schritten blieb sie vor dem Haus mit der Nr. 24 stehen, das dem, in dem sich ihre Wohnung befand, ganz ähnlich sah, aber ein Stockwerk weniger hatte.
    »Was ist mit dem Haus?«, fragte Emily neugierig.
    »Hier hat eine berühmte Schriftstellerin gewohnt«, antwortete Charlotte. »Leider weiß ich nicht viel über sie.«
    »Wohnt sie noch

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