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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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schnürte ihr die Kehle zu. »Gibt es Hoffnung?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Was glauben Sie denn?«
    Sie schwieg.
    »Es gibt drei Erklärungen. Die erste – Schlafwandeln und Einbildung – haben wir eigentlich schon verworfen. Die zweite wäre, dass Emily tatsächlich irgendeine Verbindung in eine Welt unterhält, die wir mit unseren Sinnen nicht erfassen können.«
    »Und die dritte?«
    »Ich glaube, Sie ahnen es, halten es aber für so unwahrscheinlich, dass Sie es sich nicht eingestehen wollen.«
    Mehr sagte er nicht.
    Charlotte lehnte sich zurück. Sir Andrew hatte ein Telegramm geschickt, dass Wilkins sie vom Bahnhof abholen sollte, bezweifelte aber, dass es rechtzeitig eintreffen würde. Nun, notfalls würden sie vom Bahnhof zu Fuß aus nach Westhumble laufen.
    Zum Glück hatte es aufgehört zu regnen, doch als sie endlich in Dorking aus dem Zug stiegen, zerrte ein kalter Wind an ihren Kleidern und Hüten. Mr. Ashdown trat schützend neben sie, bis sie im Gebäude waren. Von Wilkins war nichts zu sehen. Am Hotel wartete jedoch eine Mietdroschke. Mr. Ashdown eilte hinüber und kam mit dem Wagen zurück, worauf er ihr beim Einsteigen half.
    »Chalk Hill in der Crabtree Lane. Beeilen Sie sich.«
    Der Wagen rollte los, kaum dass er zu Ende gesprochen hatte. In der Dunkelheit wirkte die Umgebung fremd, fremder als am Tag ihrer Ankunft. Charlotte spürte, wie die Schatten nach ihr zu greifen schienen, und das Gefühl, ein Bleigewicht in sich zu tragen, wurde stärker. Sie dachte an ihre erste Fahrt vom Bahnhof nach Westhumble zurück und empfand beinahe Mitleid mit der Charlotte von damals, die nicht geahnt hatte, welche Rätsel diese neue Welt für sie bereithielt. Sie dachte auch an das kleine Mädchen und seine Mutter, die solch unaussprechliche Dinge getan haben sollte, an das Versteck unter den Dielen des Turmzimmers und den nächtlichen Angriff auf Mr. Ashdown. Als der Wagen endlich nach links und kurz darauf nach rechts abbog, richtete sie sich abrupt auf.
    Mr. Ashdown legte ihr die Hand auf den Arm. »Niemand weiß, dass wir kommen.«
    Sie nickte. »Schnell!«
    Er bezahlte den Kutscher, dann eilten sie in der Dunkelheit auf das Haus zu. Er klopfte energisch. Nichts geschah. Es klopfte noch einmal und rief: »Aufmachen! Es ist dringend!«
    Durch die Scheibe in der Tür konnten sie sehen, wie drinnen Licht entzündet wurde, dann stand Susan in der Tür.
    » Sie sind das! Ich dachte …«
    Charlotte und Mr. Ashdown traten in die Eingangshalle. In diesem Augenblick kam Mrs. Evans im Morgenmantel und mit offenem Haar dazu und schaute sie fragend an.
    »Mrs. Evans, ich weiß, es ist spät, aber Mr. Ashdown und ich müssen sofort in mein Zimmer gehen. Hol eine Lampe, Susan.«
    Die Haushälterin nickte verwirrt, worauf das Hausmädchen davoneilte. Dann schaute sie zu Charlotte. »Würden Sie mir bitte erklären, was hier vorgeht?«
    Mama wollte mich holen. Sie hat nach mir gesucht, aber ich war nicht da. Sie hat geglaubt, ich komme nicht mehr wieder. Dann ist sie in das Turmzimmer gegangen und hat ein Tuch genommen. Dann hat sie es in Stücke gerissen und sie aneinandergeknotet …
    »Das kann ich noch nicht.« Sie riss Susan beinahe die Petroleumlampe aus der Hand und eilte die Treppe hinauf, gefolgt von Mr. Ashdown. Vor ihrer Zimmertür hielt sie inne und atmete tief durch.
    »Lassen Sie mich vorgehen«, sagte er sanft.
    Charlotte trat beiseite und reichte ihm die Lampe. Mr. Ashdown drückte vorsichtig die Klinke nieder, stieß die Tür auf und leuchtete ins Zimmer.
    Charlotte schlug die Hände vor den Mund.
    Im Haus herrschte Chaos. Susan saß weinend in der Küche, wo sich die Köchin um sie kümmerte, während Mrs. Evans Wilkins förmlich aus dem Bett gezerrt hatte. Der Kutscher stand schlaftrunken in der Eingangshalle und sah die Haushälterin verständnislos an.
    »Du fährst sofort nach Dorking und holst die Polizei! Superintendent Jones persönlich. Du weißt, wo er wohnt. Ja, ich weiß, es ist spät. Mach schon!« Sie sah bleich und mitgenommen aus und wahrte nur mühsam die Fassung.
    Wilkins stürzte aus dem Haus, als wäre der Teufel hinter ihm her.
    Mr. Ashdown lehnte im Flur an der Wand, die Hände in den Manteltaschen vergraben. Er war fast so blass wie in der Nacht, als sie ihn blutend in der Eingangshalle vorgefunden hatte.
    »Ich kann sie nicht herunternehmen«, sagte er leise. »Erst muss die Polizei – sie gesehen haben.«
    »Natürlich, Sie haben recht.« Charlotte atmete mit

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