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Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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an.
    »Ana«, flüsterte James, »willst du meine Frau werden?«
    Sie spürte, wie Hitze von ihrem Herzen in die Glieder ausstrahlte, und die Röte breitete sich vom Hals über die Schultern bis hinab in die Fingerspitzen aus. Die Tränen stiegen ihr in die Augen. Alle Spuren der Traurigkeit wurden von einer Freudenflut weggespült. So oft hatte sie von diesem Augenblick geträumt, und sie hatte längst beschlossen, was sie tun würde, wenn er einträte. Reflexartig biss sie sich auf die Lippe, dann ließ sie wieder los, riss furchtsam die Augen auf und öffnete den Mund, um zu antworten.
    Panik huschte über James’ Miene, und ehe Anamique recht begriffen hatte, beugte er sich vor und küsste sie. Er küsste sie, um ihre Lippen am Sprechen zu hindern, und in seiner Eindringlichkeit stellte er sich nicht gerade zärtlich an. Seine Zähne stießen gegen ihre, und ihr Kopf schlug rückwärts an die Wand. Ihre Antwort ging in dem Gerangel verloren, und obwohl ihre Lippen das Wort »ja« vielleicht geformt hatten, bezweifelte sie, dass James es gefühlt hatte, so unsanft presste er den Mund auf ihren.
    Langsam löste er sich von ihr und wagte einen verschämten Blick.
    Sie war verwirrt und atemlos. Dieser Kuss, so groß und hastig, dass sie sogar seine Zähne gespürt hatte, entsprach nun so ganz und gar nicht dem Kuss, von dem sie geträumt hatte. Ja, nie hätte sie geglaubt, dass James’ Lippen so hart sein konnten. Genauso gut hätte er ihr auch die Hand auf den Mund drücken können.
    Den Grund kannte sie wohl. Sie blickte ihn an, und rote Flecken flammten auf ihren Wangen auf. Er hatte Angst vor ihr. Nach all den Schmeicheleien und all dem Hohn über die Vorsehung, nachdem er so lange versucht hatte, ihr einzureden, sie könne ein normales Leben führen, nachdem er ihr Hoffnung gemacht und sie zum Träumen gebracht hatte, übermannte ihn nun die Angst vor dem Fluch!
    Sie schaute auf seine Hände. Noch hatte er ihr den Ring nicht auf den Finger geschoben, hielt ihn aber fest umklammert. Sie trat einen Schritt zurück.
    »Ana –«, begann James zu sprechen und streckte ihr den Ring entgegen. »Es tut mir so leid! Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Bitte –«
    Sie drehte sich um und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. Irgendetwas passierte mit ihr. Irgendetwas brodelte in ihr auf. Sie atmete heftiger, ihre Haut fühlte sich fiebrig an. Achtzehn Jahre Schweigen wurden mit einem plötzlichen Sturmwind hinweggefegt, als würde die Monsunflut über eine Mangroveninsel branden und die Tiger hinaus aufs Meer spülen. Sie riss die Tür auf und rannte hinüber zum Klavier, dessen Deckel sie so überraschend zuschlug, dass der Pianist seine Hände wegziehen musste, damit sie nicht eingeklemmt wurden. Die Tänzer verharrten in ihrem Foxtrott, drehten sich zu ihr um und lächelten sie mit strahlenden Augen atemlos an. Sie sah ihre Mutter und ihre Schwestern. Und in der Tür stand, die Pein ins Gesicht geschrieben, James.
    Anamique holte tief Luft, öffnete den Mund − und begann zu singen. Es war Isolde, die aus ihr hervorquoll, als sich ihre Stimme endlich aus dem Käfig befreite. Es war der »Liebestod«, und James stiegen die Tränen in die Augen. Anamiques Stimme war Zauberwerk. Zuckersüß. Den anderen blieb gerade genug Zeit, die Vollkommenheit in einer Art betörter Euphorie zu erkennen, ehe sich der Fluch, an den Anamique nicht aufgehört hatte zu glauben, tatsächlich erfüllte.

– ZEHN –
Ein Meisterwerk
    A namiques kräftige Stimme erfüllte das Haus und hallte sogar durch den Garten hinüber zu den Unterkünften der Dienerschaft. Keine einzige Seele überlebte ihren aufstrebenden »Liebestod«. Vasudev hockte im Garten und hörte den Gesang, und als er in seine Ohren eindrang, versank der Dämon in einen betäubten Dämmerzustand. A ber er konnte nicht daran sterben – schließlich lebte er schon seit Jahrhunderten nicht mehr. Und als der Gesang aufhörte, blinzelte er und schüttelte die Benommenheit ab. Ungläubig verzog sich sein Gesicht zu einem Lächeln, und mit Juchzen und Freudensprüngen eilte er zurück in die Hölle, damit er die Seelen zählen konnte, wenn sie eintrafen.
    Es gab keinen Zweifel: Dieser Fluch war sein Meisterwerk.
    Oben auf dem Dach, wo er spioniert hatte, schwankte Pranjivans Schatten an seiner Drachenschnur. Langsam schwebte er zum Boden und spähte in das Fenster. Den Gesang hatte er natürlich nicht gehört, denn Schatten hatten keine Ohren, aber er hatte

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