Der verbotene Kuss
Mab mit den Ölen einsalbten, und sogar noch in seinem Krähen-Cithra wirkte er lüstern. Sie schauderte und bedeckte die kleinen Brüste mit den Armen, während er ein hässliches Krächzen von sich gab und sie weiter musterte. Snaya lachte und sang: »Süße Frucht muss man pflücken, reife, Beere, reife.«
Mab war erleichtert, als in dieser Nacht der erste Schnee fiel, denn nun würden die Königin und der Naxturu hinaus ins Land ziehen.
– ACHT –
Der Junge
I zha, wach auf«, sagte die Königin. Sie kniete bei Mabs Bettstelle, und noch ehe Mab die Augen aufgeschlagen hatte, roch sie den Schnee in der Luft und wusste, was nun folgen würde. Frieden kehrte ein. Für Monate.
»Schnee«, murmelte sie und setzte sich in ihren Fellen auf.
»Schnee«, sagte die Königin.
Der erste Schnee kündigte stets die Winterjagd an. Die Königin würde mit den Naxturu aufbrechen. Sie würden durch den Wald pirschen, ihn von Wilderern befreien, sie würden weit umherstreifen und ferne Druj-Stämme besuchen, um die Herrschaft der Königin über sie alle zu bekräftigen. Stets kehrte sie mit seidigen Pelzen und fremdartigen Samenkapseln zurück, mit Edelsteinen, Silberschmuck und Wein. Und in den Taschen trug sie in Blätter gewickelt die zarte Fracht frisch geernteter Augäpfel, die sie ihrer Sammlung im Tabernakel der Spione hinzufügte.
Jedes Jahr waren sie monatelang unterwegs, und früher hatte sich Mab in dieser Zeit einsam gefühlt, doch nach diesem schicksalhaften Vishaptatha freute sie sich stets darauf. Sie verbrachte die Winter wegen der entsetzlichen Kälte in Felle gehüllt, doch in ihrem Körper herrschte Frieden und sie empfand das Alleinsein als Segen.
»Lass mich dein Haar flechten, mein hübsches Kind«, sagte die Königin, und Mab drehte sich um und saß still, während die Königin sie bürstete und ihr Zöpfe machte und diese in anmutigen Spiralen über den Rücken legte. Es dauerte mehrere Stunden. Derweil summte sie dieses eigentümliche Lied von der Reife, und als sie fertig war, zog sie einen Krummdolch aus der Scheide an ihrer Hüfte und schnitt ein Zöpfchen ab, das sie an die Kette des Mondsteinamuletts band, welches sie immer um den Hals trug. Dann küsste sie Mab mit den eisigen Lippen auf die Stirn und verließ sie.
Mab schaute aus dem Fenster und sah, wie die Naxturu die Wolf-Cithrim annahmen. Es waren sechs, drei Männer und drei Frauen, und sie legten ihre Mäntel ab und standen einen Augenblick lang da, ehe sie auf alle viere gingen und schlanker wurden. Dabei wuchsen ihnen schwarzes Fell, Ohren und Schwänze. Jeder Wolf heulte einmal auf und wandte sich der Königin zu. Wie immer nahm sie keine andere Gestalt an.
»Kann sie es nicht?«, hatte Mab einmal Snaya vor langer Zeit gefragt.
Snaya hatte nur spöttisch gegrunzt und geantwortet: »Natürlich kann sie! Mazishta könnte sich sogar in den Mond verwandeln, wenn sie wollte.«
Warum tat sie es also nicht, wunderte sich Mab. Es war eine so unglaubliche Fähigkeit der Druj. Wenn die Königin die Mächtigste unter ihnen war, warum verwandelte sie sich nicht auch? In diesem letzten Winter in Tajbel wusste sie es noch immer nicht. Sie schaute zu, wie ein Druj aus einer niederen Kaste den Schlitten der Königin vorbereitete und die langen, gebogenen Kufen und das Geschirr für die Bezoarziegen überprüfte, die als Zugtiere dienten. Diese Tiere waren fantastisch und riesig, sie hatten lange geschwungene Hörner, mit denen sie einem Menschen die Kehle aufschlitzen konnten, und auf einen Pfiff der Königin hin stampften sie los. Schnee fiel. Die Wölfe heulten. Die Königin schaute einmal über die Schulter zurück, und Mab sah ihre Augen aufblitzen wie Eis in der Sonne. Ihr roter Zopf hing der Königin vom makellosen Hals.
Und dann war sie verschwunden, und der Winter dehnte sich aus wie ein Feld voller Schnee. Frieden.
Natürlich konnte er nicht ewig dauern. Wie in jedem Jahr kehrte die Königin zurück. Aber bald schon erfuhr Mab, dass es diesmal nicht wie in jedem Jahr sein würde. Sondern wie niemals zuvor. Sie erwachte eines Tages in der Dämmerung, und die Königin beugte sich über sie wie an dem Tag, an dem sie aufgebrochen war. Sie blinzelte. War der Winter schon vorbei? Die Augen der Königin strahlten.
»Izha, Überraschung«, sagte sie belegt. »Komm.«
Sie holte Mab aus dem Bett und schrubbte sie mit Schnee ab, weil sie vor lauter Ungeduld nicht warten konnte, bis er zu Wasser geschmolzen war. Die Dienerinnen flatterten
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