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Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laini Taylor
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umher, rührten sie jedoch nicht an. An diesem Morgen gehörte Mab mehr als je zuvor der Königin. Die rieb ihren Liebling mit Ölen ein, und dann tat sie etwas Neues: Sie bemalte ihre Haut. Eine Dienerin namens Keshva brachte einen Pinsel aus Eichhörnchenhaar und ein Gefäß mit Indigofarbe, und die Königin zeichnete Mab blaue Spiralen auf Arme und Beine und um Nabel und Brüste. Unterhalb des Halses malte sie drei kleine Symbole: einen zunehmenden, einen vollen und einen abnehmenden Mond. Während die Königin sie malte, sah Mab die Augen der Dienerinnen über dem hinabgebeugten Kopf der Königin. Mab bekam Herzklopfen. Diese Augen erinnerten Mab an Katzen, die der vergeblichen Flucht einer verletzten Beute zuschauen, während sie damit spielen und Minute um Minute ihr Vergnügen länger ausdehnen, bis schließlich der tödliche Hieb erfolgt.
    Sie wusste, dass jetzt der Moment eingetreten war, vor dem sie sich schon seit Monaten fürchtete.
    D ie Königin erhob sich und führte Mab zum Fenster, wo sie beobachteten, wie mehrere Druj niederer Kaste den Bestien Katzen zuwarfen, bis die Ungeheuer gesättigt waren. Dann kam eine kurze Prozession über die Brücke. Isvant ging an der Spitze, und neben ihm taumelte ein Junge. Mab starrte ihn an. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie ein anderes menschliches Wesen gesehen, aber trotzd em erkannte sie ihn sofort als solchen. Der Junge war genauso nackt wie sie, und seine Arme und Beine waren ebenfalls mit blauen Ringen bemalt. Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Sein Anblick war ein Beweis dafür, dass sie wirklich existierte, dass sie nicht nur ein Cithra für die Königin war, sondern lebendig und einmalig .
    Jetzt begriff sie, warum die Königin den Zopf mit auf die Winterjagd genommen hatte. Das Haar des Jungen hatte exakt den gleichen Ton wie ihres, es war so rot wie Persimonen, und wie ihre hatte seine Haut die Farbe von Sahne und war frei von Sommersprossen. Wenn man sie so sah, hätte man sie für Bruder und Schwester halten können.
    Isvant schob den Jungen die Felsstufen hinauf in die Kammer, wo Mab neben der Königin stand. Alle Druj folgten ihnen. Sie versammelten sich in dem Raum, stießen den Jungen in ihre Richtung, und ihre Augen glitzerten so seltsam und raubtierhaft. Der Junge zitterte, und Mab begann gleichfalls zu zittern. Sie verstand nicht, was sie von ihr erwarteten. Einen schrecklichen Augenblick lang fürchtete sie, die Druj wollten, dass sie ihn wie eine Katze umbrachte, indem sie ihn den Bestien zuwarf. Panik stieg in ihr auf. Ihr Blick ging zwischen den eisigen Augen der Königin und dem lüsternen Starren Isvants hin und her, und sie fand bei ihnen keine Antwort und keinen Trost. Die anderen standen da und schauten zu, und dann entdeckte sie einen Fremden zwischen den vertrauten Gesichtern. So ähnlich sich die Druj auch waren, Mab konnte sie unterscheiden, und dieser stammte nicht aus Tajbel.
    Es war nicht nur die Tatsache, dass er ein Fremder war, die ihr an seinem Gesicht auffiel, sondern es drückte etwas aus, was Mab nie zuvor bei einem Druj gesehen hatte. Sie kannte es nur von ihrem eigenen Spiegelbild. Es war Schmerz.
    Dann legte die Königin Mab den Finger unter das Kinn und hob ihren Kopf. Das glühende Blau und das Gefühl, in einen gefrierenden Fluss zu fallen, blendeten alles andere aus. Die Königin war in ihr, und Mab hatte keine Gewalt mehr über ihren eigenen Körper, als wäre sie lediglich dessen Schatten. Benommen sah sie ihre eigenen bemalten Arme, die sich nach dem Jungen ausstreckten, aber sie konnte seine Haut kaum unter ihren Fingerspitzen fühlen. Es war die Königin, die spürte, was ihre Finger betasteten, während sie über das scharfe Schlüsselbein strich. Das Herz in seiner schmalen Brust schlug so klar und laut wie das eines Vogels.
    Im nächsten Moment hörte sein Zittern urplötzlich auf, seine Miene wurde leer, und Mab wusste, der brutale Isvant war in ihn eingedrungen. Die Hand des Jungen packte Mab am Handgelenk, genauso, wie es Isvant machte, wenn er sie über eine Brücke zog, als sei sie nur eine Leiche, die er von einer Stelle zur anderen schleppen musste.
    Er – der Junge, aber nicht der richtige Junge – zog sie hinab auf die Felle. Mab, die wie schon so oft in sich selbst gefangen war, wandte sich innerlich ab und wartete. Sie war nur ein unförmiges Ding in einer Puppe, und sie fühlte die Haut an ihrer Haut so wie eine Schmetterlingslarve den Regen auf ihrem Kokon fühlte. Sie wartete

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