Der verbotene Kuss (German Edition)
eingefallen, dass man auf Ausstellungen gelegentlich Konversation machen musste, und so hatte sie den frühen Nachmittag damit verbracht, sich im Lexikon ihrer Mutter Einiges über das präkolumbianische Amerika anzulesen. Allerdings hatte sie ihrer Mutter nichts von Marc erzählt, nur dass sie sich eventuell mit Kollegen treffen wolle. Wenn er dann tatsächlich auftauchte, konnte sie ihn ja immer noch vorstellen. Wenn er denn kam.
Der Zeiger kroch nur sehr zögerlich weiter, und Lara strich zum wiederholten Mal ihr Haar glatt, was jedoch wenig Zweck hatte, denn eine Haarsträhne rutschte wie immer aus dem Zopf und hing ihr ins Gesicht.
Plötzlich klingelte es an der Tür.
Lara schrak auf und spürte vor Aufregung einen Kloß in ihrem Hals, während ihr gleichzeitig ein großer Stein vom Herzen fiel, so dass es aufgeregt pochen konnte. Sie ging zur Tür und öffnete. Und da stand Marc und lächelte sie an. »Hallo. Fertig für die Reise in die Vergangenheit?«
Lara nickte benommen. »Hallo. Ja, ich komme.« Sie räusperte sich, um das Krächzen aus ihrer Stimme zu entfernen. Wenn man den Abend mit Sebastian nicht mitrechnete, der ja nur ein Freund war, lag die letzte Verabredung, die sie einging, bereits viele Jahre zurück. Es war in der achten Klasse gewesen, mit Raffael Stelter, dem coolsten Jungen aus ihrer Schule. Damals war sie unheimlich verknallt gewesen in ihn, und er wohl auch in sie, denn sie hatten die ganze Zeit kaum miteinander gesprochen, und im Kino hatte er vorsichtig ihre Hand gehalten, bis er ihr dann am Ende einen zarten Kuss gegeben hatte. Danach war sie tagelang wie auf Wolken geschwebt. Sie hatten sich noch ein paarmal getroffen, bis er zu diesem Schüleraustausch nach Amerika fuhr. Als er dann Monate später wiederkam, war er total verändert, konnte bereits Auto fahren und hielt seine ehemaligen Freunde für absolute Spießer. Lara inbegriffen, was sie mehr getroffen hatte, als sie jemals zugeben wollte.
Und seitdem war in ihrem Liebesleben nicht viel passiert. Im Krankenhaus, in dem sie gearbeitet hatte, hatte es einen Arzt gegeben, der sich heftig für sie interessiert hatte, aber der war verheiratet gewesen und somit tabu für Lara. Marc war seit langem der erste Mann, der sie aus der Ruhe brachte. Und sie fürchtete sich vor den Konsequenzen.
Sie verabschiedete sich von ihrer Mutter, die am Fenster saß und las, dann ging sie zurück zu Marc. »Wir können losfahren.« Ihr Lächeln kam nicht ganz so locker rüber, wie sie es sich gewünscht hatte. Aber er schien es nicht zu bemerken.
»Gut.« Er öffnete ihr die Haustür und geleitete sie zu dem Auto, das vor dem Haus parkte. Es war ein neuer Wagen, groß und schwer. Als ob er ihre Gedanken gelesen hätte, sagte er entschuldigend: »Das ist ein Firmenwagen. Ich selbst habe noch kein eigenes Auto.«
»Ich habe nichts gegen große Autos, ich mag nur keine Sportwagen, in denen attraktive Blondinen sitzen.« Kaum hatte sie das ausgesprochen, hätte sie sich am liebsten die Zunge abgebissen, aber es war zu spät. Sie klang ja fast wie eine eifersüchtige Möchtegern-Freundin, ein Eindruck, den sie auf keinen Fall vermitteln wollte.
Doch Marc schien die Äußerung gar nicht so negativ zu sehen und sie erst recht nicht übel zu nehmen, denn er lachte. »Das kann ich gut verstehen. Ich auch nicht.«
Er machte die Beifahrertür auf und ließ sie einsteigen, dann ging er zur Fahrerseite und setzte sich ebenfalls hinein.
Lara war verwirrt. »Wieso? Mögen Sie keine blonden Frauen?«
Marc lachte wieder. »Oh, doch, ich mag blonde Frauen sehr. Ich mag es nur nicht, wenn sie uns
Männern Konkurrenz machen wollen. Damit kann ich nicht gut umgehen.«
»Ist das denn schon Konkurrenz, wenn sie einen Sportwagen fahren?«
»Ja. Autos, Arbeit und Sport, das sind die letzten Domänen der Männer. Wenn ihr Frauen uns auch die noch wegnehmt, was bleibt uns dann noch übrig? Eine große Leere und das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden.« Er sah sie so an, als hätte er bei ihr gar keine Angst vor der Leere und einem unnützen Leben. Aber Lara war sich nicht ganz sicher, ob er die Worte nicht vielleicht doch ernst meinte.
Sie roch sein After Shave, das unaufdringlich nach Moschus und irgendwie auch nach Wald und Unendlichkeit duftete.
»Ich glaube nicht, dass Männer jemals unnütz sein werden«, sagte sie leichthin. »Immerhin brauchen wir immer noch jemanden, der Spinnen im Schlafzimmer tötet oder schwere Getränkekisten schleppt.«
Er nickte schmunzelnd
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