Der verbotene Kuss (German Edition)
Straßen hinunterfloss, riesige Pfützen bildete, in denen ein paar wagemutige Kinder planschten, oder resigniert im Boden versickerte. Die Sonne hielt sich hinter dunklen Wolken versteckt, nicht ein einziger Strahl schaffte es, sich hindurchzukämpfen und, wie sonst jeden Morgen, Lara an der Nase zu kitzeln. Stattdessen klopfte der Regen an ihr Fenster. Das regelmäßige, monotone Tropfen machte sie fast zu schläfrig, um aufzustehen. Doch die Uhr tickte unbarmherzig und mahnte zur Arbeit. Gequält drehte sie sich zur Wand und starrte die verblichene Tapete an. Am liebsten wäre es ihr gewesen, sie müsste heute gar nicht aus dem Bett. Denn was sie im Büro erwartete, dem konnte sie nicht einen positiven Gedanken abgewinnen. Im Gegenteil – dem würde sie so gern entfliehen: Marc Johann Meyerhoff, der sie jetzt verachtete, weil sie ihm unlautere Absichten unterstellt hatte. Möglicherweise lachte bereits die ganze Firma über sie und darüber, was sie sich eingebildet hatte.
Mühsam erhob sie sich doch. Es nützte nichts. Sie konnte die Peinlichkeit in der Firma durch eine vorgeschobene Krankheit vielleicht hinausschieben, aber der Sache vollständig entgehen, das war unmöglich.
Müde rieb sie sich die Augen. Das Wochenende war viel zu schnell vergangen. Am Sonntag hatte der Regen bereits angefangen, und Lara musste den Ausflug mit ihrer Mutter ausfallen lassen. Dafür blieb leider mehr als genug Zeit, darüber nachzudenken, was sich mit Marc abgespielt hatte. Und dabei war sie immer wieder zu dem Ergebnis gekommen, dass sie sich absolut lächerlich gemacht hatte. Er musste sie jetzt für verrückt halten.
Sie schlurfte ins Badezimmer, um sich fertig zu machen, bevor sie sich um ihre Mutter kümmern konnte. Doch plötzlich klopfte es an der Badezimmertür und ihre Mutter kam hereingerollt. Lara war sprachlos.
»Na, was sagst du?« Ihre Mutter platzte fast vor Stolz.
»Wie hast du das denn hingekriegt, dich allein in den Rollstuhl zu setzen?«
»Training und viel guter Wille.« Sie grinste glücklich.
Lara war viel zu überrascht, um sofort die Konsequenzen zu überblicken. Aber die kamen sofort von ihrer Mutter.
»Siehst du, Lara. Ich kann mich durchaus allein versorgen. Ich brauche nicht immer fremde Hilfe.«
Lara nickte ergeben und schwieg. Nicht jetzt, nicht heute wieder die Diskussion. Sie nahm ihre Zahnbürste und die Zahnpasta und presste ein dickes Stück der Paste auf die Borsten. Als sie sah, dass ihre Mutter noch immer mitten im Raum stand und auf eine Reaktion wartete, setzte sie ein überlegenes Lächeln auf und schob ihren Rollstuhl nach draußen. »Tut mir leid, aber ich brauche am Morgen immer etwas Privatsphäre. Erst nach dem Kaffee bitte.«
Dann ging sie zurück ins Bad und machte die Tür zu. Von draußen hörte sie ihre Mutter rufen: »Da ist wohl heute jemand mit dem falschen Fuß aufgestanden?« Doch sie ignorierte die Bemerkung, ging zum Spiegel und sah sich an. Ihre Augen wirkten müde und ohne Glanz und wenn sie sie zusammenkniff, zeigten sich darunter ganz vorsichtig erste, zarte Fältchen.
Gleich würde sie Marc gegenübertreten müssen. Sie stöhnte leise auf. Und sie sah, wie bei dem Gedanken plötzlich rote Flecken in ihrem Gesicht erschienen, als hätte sie eine gefährliche Krankheit. Und wenn sie sich doch krankmeldete? Dann wüsste Marc sofort, warum. Und er würde sie noch mehr verachten oder über sie lachen. Also Augen zu und durch. Bald würde er sowieso Marlene heiraten und den misslungenen Ausflug vergessen haben.
Lara drehte den Hahn für das kalte Wasser auf und hielt ihren Kopf darunter. Vielleicht machte das sie etwas munterer.
Wie immer am Montag war sie die erste in der Firma Sie stellte die Tasche an ihren Schreibtisch und machte den Computer an. Dann suchte sie den Kalender von Franz Meyerhoff, doch der lag nicht an seinem Platz. Lara versuchte, Ruhe zu bewahren und durchsuchte ihren ganzen Schreibtisch, doch er blieb verschwunden. Langsam kroch die Panik in ihr hoch, denn sie wusste genau, wo sie ihn am Freitagnachmittag hingelegt hatte. Wenn der Kalender verschwunden war, dann würde Herr Meyerhoff Probleme bekommen. Und sie noch viel mehr.
Aber vielleicht hatte er ihn sich am Freitag noch mal geholt und er lag jetzt noch immer auf seinem Schreibtisch. Von diesem Gedanken und der Hoffnung beflügelt, ging sie eilig zum Büro ihres Chefs und riss die Tür auf. Doch noch im Türrahmen erstarrte sie, denn dort saß Marc und sah sie verwundert an.
»Oh
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