Der verbotene Ort
Schriftstück, Émile? Und die Adresse?«
»In meiner Hosentasche.«
13
Die Dosenpastete, die Kekse, der ungenießbare Wein im Tetrapak, die Minifläschchen Cognac, Adamsberg dachte an nichts anderes mehr, als er zum Parkplatz zurückging. Eine Vorstellung, die ihm zu anderen Zeiten und an anderen Orten trostlos erschienen wäre, im Augenblick aber eine Aussicht auf Herrlichkeit und Hochgenuss darstellte, auf die seine Energie sich konzentrierte. Er hatte sich in den Wagenfond gesetzt und breitete Froissys Köstlichkeiten auf der Bank aus. Die Konservendosen gingen ohne Öffner auf, an dem Weinkarton war seitlich ein Plastikhalm angebracht, auf das praktische Genie von Lieutenant Froissy, die es in ihrer Spezialisierung als Toningenieurin zu Meisterleistungen brachte, war Verlass. Er strich die Pastete auf einen Keks, schlang das Ganze hinunter, eine seltsame süß-salzige Mischung. Einen weiteren Keks für den Hund, dann wieder einen für sich, bis die drei Dosen leer waren. Zwischen ihm und dem Hund gab es kein Problem. Es schien ausgemacht, sie waren zusammen im Krieg gewesen, ihre Freundschaft bedurfte weder eines Kommentars noch einer Vergangenheit. Also verzieh Adamsberg Cupido auch, dass er wie ein Misthaufen stank und sein Geruch den ganzen Wagen verpestete. Er schüttete ihm Wasser in den Auto-Aschenbecher und machte den Weinkarton auf. Der billige Fusel – anders konnte man ihn nicht bezeichnen – floss in seinen Organismus und zeichnete mit Säure die Konturen seines Verdauungstrakts nach. Er trank ihn bis zu Ende, dieses Brennen bewusst genießend, denn bekanntlich lässt ein leichter Schmerz einen das Leben intensiver empfinden. Und er war glücklich, glücklich, dass er Émile gefunden hatte, bevor er unter dem Klagegeheul seines Hundes im Gras verblutet war. Glücklich, ja fast euphorisch, so dass er sich die Zeit nahm, die Vollkommenheit der kleinen Cognacfläschchen zu bewundern, worauf er sie in seine Tasche steckte.
Auf den Rücksitz halb hingestreckt mit einem Behagen, als säße er in einer Hotellobby, wählte er die Nummer von Mordent. Danglard dachte derzeit nur an die Füße seines Onkels, und Retancourt, die seit zwei Tagen nicht ausgespannt hatte, wollte er schlafen lassen. Mordent hingegen suchte Betätigung, um seinen Kummer zu betäuben, was sicher auch seine absurde Übereiltheit am Morgen erklärte. Adamsberg sah auf seine Uhren, nur die eine leuchtete in der Nacht. Viertel nach eins ungefähr. Eineinhalb Stunden war es her, dass er Émile gefunden hatte, zweieinhalb Stunden, dass man auf ihn geschossen hatte.
»Ich warte, bis Sie aufgewacht sind, Mordent, lassen Sie sich Zeit.«
»Sprechen Sie schon, Kommissar, ich habe nicht geschlafen.«
Adamsberg legte die Hand auf Cupido, damit er aufhörte zu winseln, und horchte auf das schwache Hintergrundgeräusch im Telefon. Ein Geräusch von Außenwelt, nicht von Wohnung. Vorbeifahrende Autos, das Dröhnen eines Lastzuges. Mordent war nicht bei sich zu Hause. Er stand auf einer verlassenen Straße in Fresnes und starrte auf Mauern.
»Ich habe Émile Feuillant gefasst, Commandant. Zwei Kugeln im Leib, er ist im Krankenhaus. Der Überfall ist vor dreiundzwanzig Uhr erfolgt, zwanzig Kilometer von Châteaudun entfernt, mitten auf dem Lande. Lokalisieren Sie mir Pierre Vaudel, überprüfen Sie, ob er nach Hause zurückgekehrt ist.«
»Normalerweise ja, Kommissar. Er müsste gegen neunzehn Uhr in Avignon eingetroffen sein.«
»Aber sicher sind wir nicht, sonst würde ich Sie nicht bitten, es zu überprüfen. Machen Sie’s gleich, bevor er Zeit hat, zu Hause anzukommen. Und nicht per Telefon, er hat seinen Anschluss möglicherweise umlegen lassen. Schicken Sie die Kollegen in Avignon an Ort und Stelle.«
»Mit welcher Begründung?«
»Vaudel steht noch immer unter Beobachtung, und er darf das Land nicht verlassen.«
»Er hat nichts zu gewinnen, wenn er Émile tötet. Laut Testament geht Émiles Anteil, wenn er stirbt, an seine Mutter.«
»Mordent, ich bitte Sie, die Sache zu überprüfen und mich über das Ergebnis zu informieren. Rufen Sie zurück, sobald es geschehen ist.«
Adamsberg nahm das Bündel mit Émiles Sachen, zog die blutverklebte Hose heraus, fand das Papier in der rechten Gesäßtasche, es war unversehrt. Drei Mal gefaltet und tief nach unten geschoben. Eine gestochen scharfe, ausdrucksvolle Schrift, die von Vaudel senior. Adressiert an eine Frau Abster in Köln, Kirchstraße 34. Dann: Bewahre unser Reich,
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